%I Selbstverlag Fachbereich Geowissenschaften%C Freie Universität Berlin %X Die Hexactinellida (Unterkambrium bis Rezent) sind das vielleicht am besten begründete Monophylum innerhalb der Porifera. Sie sind Adelphotaxon C'Schwestergruppe") der Pinacophora (Demospongiae/Calcarea-Taxon), von denen sie seit mindestens dem frühesten Kambrium abgespalten sind. Durch ihre Syncytiale Weichkörperorganisation unterscheiden sich die Hexactinellida signifikant von allen anderen Spongien. Die den Demospongiae am nächsten verwandte Gruppe stellt, entgegen gängigen Vorstellungen, wahrscheinlich nicht die Hexactinellida, sondern die Calcarea. Die kieseiigen Spicula der Hexactinellida sind wahrscheinlich als eine echte funktionelle und konstruktionsmorphologische Homoplasie unabhängig von denen der Demospongiae entstanden. Daraus ergibt sich die zwingende Schlußfolgerung, daß Spicula nicht zum Grundmuster der Porifera gehören. Spicula von der Symmetrie des rectilinearen Triaxons (Grundform: das reguläre Hexactin) mit quadratischem Axialfilament sind innerhalb der Porifera einmalig. Vergleichende Untersuchungen über die Weichkörper-Organisation diverser Hexactinellida wurden im Rahmen dieses Studiums durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, daß sich diesbezüglich die verschiedenen Großtaxa der Hexactinellida anscheinend nur unwesentlich von einander unterscheiden; d.h. sie haben sich von ihrem Grundmuster kaum weiterentwickelt. Eine gezielte Überprüfung der außerordentlich vielfältigen hexactinelliden Nadeltypen ergab ferner, daß sich diese verschiedenen Spiculatypen, einschließlich der Amphidisken, alle vom regulären Hexactin ableiten, und dass keine grundsätzlich neuen Spicula dazugekommen sind. Die Hexactinellida, deren Vertreter sich im Laufe der mindestens 580 Millionen Jahre ihrer Existenz kaum verändert haben, verkörpern somit eine extrem konservative (wenn nicht gar die konservativste) Gruppe des Tierreiches. Die Hexactinellida gliedern sich in die Adelphotaxa Hexasterophora und Amphidiscophora (seit dem Unterordovizium bzw. Obersilur nachgewiesen). Aufgrund ihrer nicht-rigiden Sklerenskelette waren die Amphidiscophora aus der fossilen Überlieferung, außer isolierter Amphidisken aus Schlämmproben, bisher fast unbekannt. Infolge der sehr günstigen Fossilisationsbedingungen des Oberkretazischen Amagerkalks (Bornholm, Dänemark) können aus diesen Schichten mehrere amphidiscophoride Gattungen erstmalig nachgewiesen werden: Monorhaphis, Hyalonema sowie wahrscheinlich Pheronema. Einige Hexasterophora sind im Besitz rigider (diktyonaler) Sklerenskelette, wodurch sie besser erhaltungsfähig sind als nicht-rigide (lyssakine) Formen. Die Namen "Diktyonina" und "Lyssakina" (Zirm 1877), sind jedoch Bezeichnungen für nicht-monophyletische Gruppierungen. Sie sind deshalb aus der taxonomischen Systematik zu eliminieren und nur rein deskriptiv im morphologischen Sinne zu verwenden. Hexactinellida von diktyonalem Skelettbau umfassen die Taxa Hexactinosa und die Lychniscosa. Diese jedoch sind höchst wahrscheinlich keine Schwestergruppen, sondern haben ihre diktyonalen Sklerenskelette mitsamt den verschiedenen Kanalsystemen und basalen Anheftungsmodi, durch ihre Anpassung an dieselben Lebensräume im Mesozoikum voneinander unabhängig, konvergent erworben. Als eindeutiges Monophylum innerhalb der Hexactinosa wird die Gruppe Sceptrulen-tragender Hexactinellida begründen, hier ist der Name Sceptrulophora für diese Gruppe vorgeschlagen. Das Monophylum Sceptrulophora umfaßt die Schwestergruppen Clavularia und Scopularia (seit der Mitteltrias eindeutig dokumentiert). Die Lychniscosa (seit dem Bathonium nachgewiesen) sind wahrscheinlich aus einer lyssakinen Gruppe der Hexasterophora hervorgegangen. Übereinstimmende Hexaster deuten darauf hin, daß ihr Adelphotaxon innerhalb der Euplectellidae zu suchen sein dürfte. Für das vermutete Euplectellidae/Lychniscosa-Taxon wird daher der Name Graphiocomida vorgeschlagen. Beim verbreiteten Besitz von Codonhexastem innerhalb sowohl der Rossellidae als auch Euplectellidae könnte es sich um eine Synapomorphie handeln. In diesem Falle wären Rossellidae und Graphiocomidae Schwestergruppen, und das sich daraus ergebende Monophylum wäre als Taxon nominal zu benennen. Die lyssakinen Rossellidae und Euplectellidae sind jedoch aufgrund ihres geringen Erhaltungspotientials in der fossilen Überlieferung kaum dokumentiert. Z. Zt. ist von den Euplectellidae nur die Gattung Regadrella mit zwei fossilen Arten (davon eine erst 1990 durch die Autorin aufgestellt) aus der Oberkreide bekannt. Die Rossellidae lassen sich aufgrund isolierter, diagnostisch signifikanter Hexaster bis in den Oberlias zurückverfolgen. Erste körperlich erhaltene, gesicherte, fossile Vertreter der Rossellidae werden hier aus dem Oberkretazischen Arnagerkalk dokumentiert. Als ultra-konservative Gruppe eignen sich die Hexactinellida für palökologische Rekonstruktionen, sofern ihre ökologischen Ansprüche und limitierenden Faktoren bekannt sind (was bisher kaum der Fall war). Die Hexactinellida sind ausgesprochene k-Strategen und benötigen als solche stabile Biotope. Sie sind an normalmarine, nicht-turbulente Environments mit geringer Strömungsenergie gebunden (Einzige bisher bekannte Ausnahme ist die in nächster Umgebung hydrothermaler Quellen eingenischte Art Caulophacus cyanae). Strukturierte Meeresboden mit einem moderaten Relief scheinen bevorzugte Siedlungsräume dieser Spongien zu sein. Beim Vorhandensein der entsprechenden Ökofaktoren sind die Hexactinellida bathymetrisch tolerant. Einzelne Gruppen können jedoch an Verhältnisse angepaßt sein, die nur in bestimmten Wassertiefen verwirklicht sind. Auch haben sich solche kritischen Tiefen im Laufe der Erdgeschichte mehrmals geändert. Beispielsweise bildeten im Oberjura die Hexactinellida Spongien-Mounds in zwar geringeren Wassertiefen, jedoch unter ökologischen Rahmenbedingungen, die den rezenten Lebensräumen ähnlich sind. Eine entscheidende ökologische Transformation in der Geschichte der Hexactinellida stellt ihre Einnischung auf den ausgedehnten Schelfregionen des Mesozoikums dar. Diese ging mit verschiedenen evolutiven Neuerwerbungen einher, u.a. mit dem Auftreten der Sceptrulophora ab der Mitteltrias und der Lychniscosa im mittleren Jura. Ein bedeutender Faunenschnitt innerhalb der diktyonalen Hexactinellida (Hexactinosa und Lychniscosa) muß während der frühen Oberkreide stattgefunden haben. Anscheinend nur wenige hexactinose Gruppen überlebten diese Krise; z.B. die Laocaetis-Gruppe, die vom Jura bis Rezent durchgeht. Ihre maximale Diversität und eine große räumliche Entfaltung erreichten die Hexactinellida während der höheren Oberkreide. Diese Blüte ist durch den großen Vielfalt diktyonaler Formen -Hexactinosa und Lychniscosa- aus den Schichten der höheren Oberkreide Norddeutschlands offensichtlich. Aufgrund der neuen reichen Oberkretazischen Hexactinellidenfauna des Amagerkalks darf dieses Maximum ebenfalls für die weniger erhaltungsfähigen und deshalb selten dokumentierten, lyssakinen Hexactinellida angenommen werden. Seit der oberen Kreide scheinen keine evolutiven Neuerscheinungen dazugekommen zu sein. Während des späten Mesozoikums war die Diversität der rigiden Hexactinellida, insbesondere der Lychniscosa, somit wesentlich größer, als es heute der Fall ist. Zur Bildung riffähnlicher Strukturen mit Hexactinellidendominanz ist es jedoch seit dem Oberjura anscheinend nicht mehr gekommen. Es ist kein "katastrophales Aussterben" an der Kreide-/Tertiär-Grenze zu verzeichnen. Das Erlöschen vieler hexactinellider Gruppen dürfte mit der sukzessiven Reduktion ihrer Lebensräume, der mesozoischen Schelfgebiete, Zusammenhängen. %U http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?gldocs-11858/11474 %~ FID GEO-LEO e-docs