TSK 11 Göttingen 2006 Freitag et al. Deformationsanalyse und me- chanische Kopplung eines ak- tiven fore-arcs in Raum und Zeit, Kamtschatka, Russische Föderation Poster Ralf Freitag1 Fabian Jähne1 Christoph Gaedicke2 Matthias Krbetschek3 Seit dem Mesozoikum wächst die kon- tinentale Kruste am aktiven Platten- rand von Kamtschatka durch Akkreti- on allochthoner Terrane. Dieses Wachs- tum manifestiert sich in der differen- ziellen Exhumierung und Hebung tek- tonischer Blöcke innerhalb des Akkre- tionskeils, parallel zum Kamtschatka- Graben. Die Kinematik der Exhumie- rung soll mittels strukturgeologischer und neotektonischer Deformationsana- lyse erfasst und mit thermochronologi- schen Untersuchungen an Apatiten bis etwa ins Untere Pliozän quantifiziert werden. Bedingt durch diese differenzielle He- bung und durch Meeresspiegelschwan- kungen kommt es zur Ausbildung zahl- reicher rezenter mariner und alluvialer Terrassen auf Kamtschatka. Die absolu- te Altersdatierung dieser Terrassen bie- tet die Möglichkeit, den relativen ver- tikalen Versatz und die absoluten He- bungsbeträge der tektonischen Blöcke bis in rezente Phasen hochauflösend zu dokumentieren. Ziel des Projektes ist, den Zusammen- hang zwischen Unterplattenkonvergenz (Geometrie, Richtung, Geschwindig- keit) und Oberplattendeformation, also die seismische und mechanische Kopp- lung zwischen Unter- und Oberplat- 1 Universität Jena 2 Bundesanstalt für Geo- wissenschaften und Rohstoffe 3 Sächsische Akademie der Wissenschaften te entlang des Kamtschatka-Grabens zu charakterisieren. Der aktive Platten- rand von Kamtschatka bietet mit sei- ner global einzigartigen Geometrie und über lange Zeiträume gleich bleibenden (?) Subduktionsparametern eine heraus- ragende Möglichkeit, aus der Oberplat- tendeformation und der Art des akkre- tierten Materials auf den Einfluss von Konvergenz und Beschaffenheit (z.B. Alter, Segmentierung, Material, Rauig- keit) der subduzierenden Unterplatte zu schließen. Am aktiven Plattenrand von Kam- tschatka wird die Unterplatte im Be- reich des Aleutenbogens segmentiert und unter Kamtschatka subduziert. Die Verformung wird an mehreren dextralen Blattverschiebungen in der Komandor- sky Scherzone aufgeteilt (Abb. 1). Die Konvergenzgeschwindigkeit der einzel- nen Unterplattensegmente nimmt von 7.9 cma−1 im Süden (Pazifische Platte PAC) ab auf 0 cma−1 im Norden (Nord- amerikanische Platte NAM). Durch die unterschiedlichen Konvergenzgeschwin- digkeiten kommt es zur differenziel- len Hebung im fore-arc von Kam- tschatka. Störungsbegrenzte tektonische Blöcke werden gehoben und gegen- einander versetzt. Die Exhumierungs- und Hebungs(?)-Raten korrelieren mit der Konvergenzgeschwindigkeit (Abb. 2, 3). Die Hebungsraten der individuellen Oberplattensegmente können durch die Datierung quartärer mariner und allu- vialer Terrassen (Abb. 4) ermittelt und daraus die Verkürzung der Oberplatte rekonstruiert werden. Das Verhältnis von Konvergenz der Unterplatte zu Oberplattenverkürzung wird als kinematische Kopplung be- zeichnet. Der Charakter der kinemati- schen Kopplung an dem Plattenkontakt zwischen Ober- und Unterplatte hat 1 Freitag et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 1: Strain partitioning in der Komandorsky-Scherzone. Einige der Blattver- schiebungen (z.B. Pikezh-Störung) setzen sich an Land fort und biegen dort um (horse tail structure), erfassen also auch die Oberplatte. Die Konvergenzgeschwindigkeit der Unterplatte nimmt von N nach S hin zu. Die einzelnen Späne zwischen den Störungen konvergieren also mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. einen wesentlichen Einfluss auf die Ge- nerierung oft schwerster subduktions- bezogener Erdbeben. Wenn die Plat- tenkonvergenz gleich dem Versatz auf der Subduktionsüberschiebung ist, ist die kinematische Kopplung minimal und die Oberplatte wird nicht deformiert. Bei sehr starker kinematischer Kopp- lung ist der Versatz auf der Subdukti- onsüberschiebung gering und der Groß- teil der Plattenkonvergenz wird durch die Verkürzung der Oberplatte kompen- siert. Eine Schlüsselfrage für das Ver- ständnis von Subduktionserdbeben ist, wie viel Versatz durch langsames, aseis- misches ‚Kriechen‘ und wie viel durch plötzliche Erdbeben generiert wird. Die energiereichsten Beben überhaupt sind 2 TSK 11 Göttingen 2006 Freitag et al. Abbildung 2: Blick nach S über die Pikezh Störung. Mindestens sieben Terrassenstu- fen bis in 380m Höhe sind erkennbar. Abbildung 3: Marine Terrasse in etwa 800m Höhe. Sie sitzt diskordant dem Paläo-Relief auf. subduktionsbezogen (z.B. Alaska 1964, M 9.2, Kamtschatka 1952, M9.0). Zur Quantifizierung der Oberplatten- deformation hat sich eine Kombina- tion aus strukturgeologischer Kartie- Abbildung 4: Der schematische Schnitt durch Ober- und Unterplatte vor Kam- chatka zeigt die Abhängigkeit der Exhumierungs- und Hebungs(?)-Raten im fore-arc von der Konvergenzgeschwindig- keit der einzelnen Unterplattensegmente. rung und thermochronologischen Unter- suchungen als geeignet erwiesen. Aus Zeit-Temperatur-Pfaden der Gesteine im fore-arc und den Exhumierungsraten störungsbegrenzter, tektonischer Blöcke soll ein kinematisches Modell der Ost- küste Kamtschatkas entwickelt werden. Durch die Analyse der Höhenlage und der Expositionsalter (sub-)rezenter Ter- rassenflächen und durch neotektonische Analysen (Fernerkundung, Geländebe- funde) kann das kinematische Modell des auch rezent tektonisch sehr aktiven fore-arcs bis in jüngste Zeit hinein hoch- auflösend validiert werden. Zur Untersuchung der Abhängigkeit zwischen Konvergenzgeschwindigkeit und Reaktion des fore-arc (Abb. 4) ist Kamtschatka weltweit außerordentlich gut geeignet, da die Pazifische Platte genau orthogonal zum Plattenrand konvergiert. Dort werden störende Einflüsse wie schiefe Subduktion (Ver- formungsaufteilung), Subduktion eines aktiven Rückens oder schief konvergie- rende Transformstörungen vermieden. 3