TSK 11 Göttingen 2006 Buurman & Reuther Erkundung von Erdfallstruk- turen in der Metropolregion Hamburg und Lüneburg mit dem Georadar (Ground Pe- netrating Radar) Poster Nils Buurman1 C.-D. Reuther1 Der oberflächennahe geologische Un- tergrund Norddeutschlands wird durch das Auftreten zahlreicher Salzvorkom- men geprägt. Während der Triaszeit und des unteren Juras herrschte ein E- W gerichtetes, extensives tektonisches Regime vor. Durch zusätzliche Umlage- rung klastischer Sedimente wurden dar- unter liegende Salzmassen permischen Alters (Zechstein) aus Tiefen von bis zu 5000Metern an die Erdoberfläche empor gepresst. Durch diesen Salzauf- stieg wurden darüber liegende mesozo- ische Schichten durchschlagen, randlich der Salzdiapire deformiert und teilwei- se mitgeschleppt. Eine letzte Phase salz- tektonischer Aktivitäten während der oberen Kreide und des unteren Tertiärs zeichnet sich zum einen durch weiteren Salzaufstieg aus und zum anderen durch horizontale Einengung der Salzstöcke. Begleitgesteine der Salze, wie Gips, An- hydrit, und Karst, sowie Tertiäre und Quartäre Ablagerungen überlagern die Salzstöcke mit unterschiedlichen Mäch- tigkeiten. Das humide Klima Norddeutschlands begünstigt natürliche Auslaugungs- prozesse (Subrosion) der Evaporite durch Grundwasser. Je nach Tie- fenlage des Salzspiegels (Salzstock Lüneburg: −20 bis −40m; Salzstock Othmarschen-Langenfelde (Hamburg): ca 0 bis −250m) kann es zu intensiver 1 Geologisch Paläontologisches Institut, Uni- versität Hamburg, Bundesstraße 55, 20146 Hamburg, Germany Hohlraumbildung im tieferen Unter- grund kommen. Die fortschreitende Vergrößerung einer solchen Höhle steht in Abhängigkeit zur Intensität der Lö- sungsprozesse, während die Stabilität des Hohlraumes zusätzlich von der Ma- terialbeschaffenheit abhängt. So können feste Gesteine oder bindige Böden zwar ein stabiles Höhlendach bilden, jedoch ist bei andauernden Lösungsprozessen langfristig ein statisches Versagen des Höhlendaches unvermeidlich. Der damit verbundene Kollaps und die Verfüllung des Hohlraumes mit Sediment spiegelt sich häufig in Form von sub-zirkularen und konischen Einsturzröhren oder weitläufigen morphologischen Trichtern an der Erdoberfläche wieder. Die Ter- minologie der Erdfälle wird anhand der Subsidenzrate gewählt. Man unterschei- det in der Hauptsache zwei Typen von Erdfällen: zu einen den dropout-type, welcher durch schlagartiges Versagen des Höhlendaches und einem abrupten Kollaps der Erdoberfläche charak- terisiert ist, und zum anderen der suffosion-type, welcher eine langsame Verfüllung der Höhle durch Spalten im Höhlendach und ein allmähliches Nachsackens der Erdoberfläche nach sich zieht. Während der dropout-type in der Regel immer mit einem hohen Georisiko eingeschätzt werden muss, hängt die Georisikenabschätzung bei dem suffosion-type von der Subsi- denzrate, dem Massenverlust und der räumlichen Ausbreitung der Subsidenz- struktur ab. Gewöhnlich werden die morphologischen Depressionen durch Erosionsprozesse mit Sediment oder Wasser wiederverfüllt, während im tieferen Untergrund die Lösungsprozes- se der Evaporite weiter voranschreiten. Da die höhlenreichen Deckgesteine den ganzen Salzdom überlagern, treten 1 Buurman & Reuther TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 1: GPR-Daten: 3D-Darstellung eines verborgenen Erdfalles (dropout-type) in Hamburg; die Zeitfenster entsprechen jeweils Tiefen von 1.1, 5.5 und 11.2m. Erdfälle meist räumlich weit verteilt auf und erstrecken sich entlang von lösungsbegünstigten Bereichen wie Ver- werfungen oder dem Kontakt zwischen Salzstockrand und Grundgebirge. Für die Gewährleistung der Standsi- cherheit von Gebäuden, Industrieanla- gen, Verkehrswegen etc. in urbanen Ge- bieten, ist das Wissen über die Stabilität des Untergrundes von entscheidender Wichtigkeit. Aktive Erdfallregionen wie in der Metropolregion Hamburg und in der Stadt Lüneburg bürgen ein erhöhtes Georisiko für die gesamte Infrastruktur in sich. In den vergangenen zwei Jahr- hunderten wurden im Stadtgebiet Ham- burgs ca. vierzig potentielle Erdfaller- scheinungen dokumentiert. Die meisten von ihnen befinden sich am SW-Rand des Othmarschen-Langenfelde Diapir (OLD). Dabei handelt es sich überwie- gend um eine Vielzahl kleinräumiger Strukturen des suffosion-type, welche in- nerhalb einer N-S streichenden Depres- sion, der Bahrenfelder Senke, auftre- ten. Zur Aufnahme der räumlichen Aus- breitung und der Darstellung des De- formationsstils der im Untergrund ver- borgenen Kollapsröhren und Einsturz- trichter benutzen wir das Georadar (GPR). Obwohl die langsame Kriechbe- wegung des Untergrundes ein nur mo- derates Georisiko darstellt, zeigen vor allem Hausfassaden und Straßenbeläge in der betroffenen Umgegend sichtba- re Schäden. GPR-Untersuchungen ver- deutlichen, dass Kellerbereiche, Funda- mente und Straßen direkt oberhalb von verborgenen Abbruchkanten, Gleitflä- chen und Bereichen starker Bodenun- ruhe errichtet worden sind. Sedimen- täre Strukturen im zentralen Bereich der Erdfälle dokumentieren unterschied- liche Deformationsereignisse, was auf ei- ne Reaktivierung, also eine wiederhol- te Abfolge von Oberflächeneinbrüchen mit anschließender Wiederverfüllung an ein und der selben Lokalität hinweist. Die Reaktivierung lässt sich durch an- haltende Lösungsprozesse im tieferen Untergrund erklären. Eine zweite weit- läufige Depression oberhalb des westli- chen Randes des OLD, die Flottbeker Senke, streicht ebenfalls in N-S Rich- tung. Ihr nordwestlicher Rand zeigt stei- le morphologische Stufen im Gelände, welche direkt zum Erdfallzentrum ei- nes dropout-types hin abfallen. Während des letzten Jahrhunderts wurden hier drei Einsturzbeben dokumentiert (1928, 1963, 2000). GPR-Daten belegen an- hand von verborgenen Abbruchkanten 2 TSK 11 Göttingen 2006 Buurman & Reuther Abbildung 2: GPR-Profil: verborgene Abbruchkanten innerhalb des Einsturztrichters ei- nes Erdfalles (suffosion-type) in Lüneburg. im Untergrund die wahre Ausbreitung der Subsidenzstruktur auch außerhalb des Einsturztrichters. Dort gelegene Ge- bäude und Fahrbahnen zeigen anhalten- de oder wiederkehrende Setzungsschä- den und bestätigen eine aktive Bewe- gung des oberflächennahen Untergrun- des auch zwischen den plötzlich auftre- tenden Einsturzereignissen. Eine weitere Feldstudie im westlichen Stadtbereich Lüneburgs zeigt eine gra- vierende Gefährdung eines Wohngebie- tes und der gesamten Infrastruktur. Geologisch liegt der Bereich des Mi- chaelis Friedhofes und das Wohngebiet ‚Ochtmisser Kirchstieg‘ oberhalb des Kontaktes zwischen triasischem Grund- gebirge und dem nördlichen Salzstock- rand. Angefangen mit einer ca. 90 cm breitem Einsturzröhre wurden in den Jahren zwischen 2002 und 2004 Sub- sidenzraten bis zu 20 cmpa. gemes- sen. Andauernde Oberflächenabsenkun- gen führten zur Ausbildung einer mor- phologischen Senke mit einem Durch- messer von 30 bis 50m. Die weiträumige dreidimensionale Kartierung des betrof- fenen Bereiches mit dem GPR und ei- ner Erkundungstiefe von ca. 10m zeigt Abbruchkanten im Untergrund, welche sich noch nicht bis an die Erdoberfläche durchgepaust haben. Die im Untergrund verborgenen Strukturen lassen einen Durchmesser von mindestens 90m er- kennen. Darüber liegende Gebäude und Kellerwände sind stark beschädigt, Fun- damente sanken unter den Grundwas- serspiegel ab. Ebenso sind starke Stra- ßenschäden und defekte Versorgungslei- tungen für Gas und Wasser die Folge, ein Einfamilienhaus musste bereits eva- kuiert werden. In betroffenen Gebieten der aktiven Bo- densenkung kann neben permanenten Nivellierungsarbeiten der Einsatz des GPR einen wichtigen Beitrag zur Geo- risikenabschätzung liefern. Durch hoch auflösende 3D-Kartierungen des Unter- grundes kann die aktuelle Geometrie und die Größe der Gesamtstruktur ab- gebildet werden. Langzeitbeobachtun- gen in Gebieten mit hohen Subsidenz- raten und signifikanten Massenverlu- sten können durch wiederholte Messun- gen die fortschreitende räumliche Aus- weitung der Strukturen darstellen und Erkenntnisse über den genauen Bewe- gungsmechanismus im Untergrund lie- fern. Paläoböden und Sedimentfazien können durch Korrelation zusätzlicher Bohrungen in den GPR-Daten als Ra- darfazien verifiziert werden. Nur eine 3 Buurman & Reuther TSK 11 Göttingen 2006 genaue Kenntnis über den strukturel- len und sedimentären Aufbau des Unter- grundes erlaubt eine seriöse Georisiken- abschätzung gefährdeter Gebiete und kann bei der Ergreifung von Präventiv- maßnahmen zum Schutze von Gebäu- den, Infrastruktur und der Bevölkerung helfen. Dank Diese Studien werden im Zu- ge des Projektes: HADU — Hamburg-A Dynamic Underground vom BMBF im Programm Geotechnologien gefördert. 4