TSK 11 Göttingen 2006 Bense et al. GPS-gestützte Kartierung gravitativer Massenverlage- rungen an der Röt/ Muschel- kalk-Grenze im Göttinger Wald Poster Frithjof Bense1 Gabriele Ertl1 Mau- rizio Battaglia1 Axel Vollbrecht1 Gravitative Massenverlagerungen ent- lang der Muschelkalkschichtstufe gehö- ren zur natürlichen Morphodynamik. Durch die unterschiedliche Erosionsre- sistenz der relativ inkompetenten Ton- und Mergelsteine des Röt und der direkt darüber an- stehenden widerstandsfähigeren Kalk- gesteinen des Unteren Muschelkalks hat sich ein Steilhang im Übergang die- ser Einheiten ausgeprägt. Ein unruhiges Relief des Schichtstufenhangs zeugt an vielen Stellen von gravitativen Massen- verlagerungen. Zur detaillierten Kartierung dieser gravitativen Massenverlagerungen am Hünstollen im Göttinger Wald (10 km nordöstlich von Göttingen) wurden Zweifrequenz-GPS-Messungen durchgeführt. Mittels differentieller Korrektur der gesammelten GPS-Daten konnte eine horizontale Präzision der Positionsbestimmung von bis zu 10 cm auf freier Fläche und bis zu 40 cm im Wald erreicht werden. Zusammen mit Schichtflächenmessungen ermöglichen die gesammelten Daten eine hochauf- lösende Darstellung einzelner Struktu- relemente (Abb. 2), Rückschlüsse auf die stattgefundenen Bewegungsabläufe (Abb. 1) sowie eine relative zeitliche Zuordnung der einzelnen Rutschkörper. Die Verlagerungen im bearbeiteten Ge- 1 Geowissenschaftliches Zentrum der Geor- g-August-Universität Göttingen, Goldschmidt- str. 1-3, D-37077 Göttingen, Germany Abbildung 1: Schichtflächenpole von gra- vitativ verlagerten Schollen des Unteren Muschelkalks sowie ungestörter Bereiche (Schmidt’sches Netz, untere Halbkugel). Ausgehend von der ungestörten Lagerung ist eine Erhöhung des Einfallwinkels bei gleich bleibender Einfallsrichtung Ergeb- nis einer hangwärtigen Rotationsbewegung (Gleiten), eine Erniedrigung des Einfalls- winkels oder die Umkehrung der Einfalls- richtung ist Resultat einer talwärtigen Ro- tation (Kippen). Eine Änderung des Ein- fallswinkels und der Einfallsrichtung erfolgt durch Driften (nach Ertl, 2005). biet gehören der Historischen Generati- on nach Ackermann (1959a&b) an. Eine weitere Eingrenzung in das Ältere oder Jüngere Stadium der Historischen Ge- neration kann anhand der Morphologie nicht eindeutig durchgeführt werden. Die Auswertung der Schichtflächenda- ten ergab eine Vorherrschaft von Drift- Gleit- und Kriechbewegungen. Kippbe- wegungen treten lediglich untergeordnet auf. Anzeichen auf jüngste Verlagerung oder ein künftiges Ereignis (z.B. auf- reißende Spalten) finden sich im bear- beiteten Gebiet nicht. Rezente Bewe- gungen finden, neben Kriechbewegun- gen der Schutthänge, lediglich an ein- 1 Bense et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 2: Karte der gravitativen Massenverlagerungen am Hünstollen (aus Bense, 2005). zelnen Schollen statt. Die Bewegungen beschränken sich auf das Abstürzen, Driften und Gleiten kleinerer Gesteins- pakete. Darüber hinaus zeigen sich an der Abrisswand Anzeichen von Vers- teilung einzelner Gesteinstürme sowie Kippbewegungen kleinerer Gesteinsein- heiten. Die überwiegend deutlich aus- geprägten Erdgletscher befinden sich in einem Zustand zunehmender Konsoli- dierung und zeigen lediglich Anzeichen langsamer Fließ- oder Kriechbewegun- gen. (Bense, 2005; Ertl, 2005) Als Hauptursache der Verlagerungen im bearbeiteten Gebiet können mit ho- her Wahrscheinlichkeit kollabierte Hohl- räume angeführt werden, welche durch Gipsauslaugung im Untergrund entstan- den sind (Wilczewski & Steinmetz, 2003). Die Gipsauslaugung im bearbei- teten Gebiet ist durch das Auftreten mehrerer Dolinen und Erdfälle doku- mentiert. Da im Arbeitsgebiet innerhalb der Röt- schichten noch Gips angetroffen wurde, ist davon auszugehen, dass die Auslau- gung von Gips im Untergrund weiterhin stattfinden kann und somit die Voraus- setzung der Massenverlagerungen am Hünstollen nach wie vor gegeben ist. Aus diesem Grund muss der Hünstol- len als Gebiet latenter Massenverlage- rung angesehen werden. Danksagung Wir danken K. Wem- mer und T. Heinrichs für anregende Dis- kussionen während einer gemeinsamen Geländebegehung. Literatur 2 TSK 11 Göttingen 2006 Bense et al. Ackermann E (1959a) Der Abtragungsme- chanismus bei Massenverlagerungen an der Wellenkalk-Schichtstufe. Zeitschrift für Geo- morphologie 3: 193-226 Ackermann E (1959b) Der Abtragungsme- chanismus bei Massenverlagerungen an der Wellenkalk-Schichtstufe. Zeitschrift für Geo- morphologie 3: 283-304 Bense F (2005) Gravitative Massenverlagerun- gen an der Röt/Muschelkalk-Schichtstufe im Göttinger Wald - Eine GPS-gestützte Struk- turkartierung am Nordhang des Hünstollens (W-Abschnitt). Unveröffentlichte Bachelor- arbeit, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen, pp 85 Ertl G (2005) Gravitative Massenverlagerun- gen an der Röt/Muschelkalk-Schichtstufe im Göttinger Wald - Eine GPS-gestützte Struk- turkartierung am Nordhang des Hünstol- lens (E-Abschnitt). Unveröffentlichte Bache- lorarbeit, Georg-August-Universität Göttin- gen, Göttingen, pp 56 Wilczewski N, Steinmetz S (2003) Rutschungen an der Grenze Buntsandstein/Muschelkalk, Göttinger Arbeiten zu Geologie und Paläon- tologie Sb5: 121-123 3