TSK 11 Göttingen 2006 Reuther & Moser Empirische Feldstudien über elektromagnetische Emissio- nen in Gesteinen unter akti- ven Krustenspannungen Vortrag C.-D. Reuther1 Elmar Moser1 Einleitung In den vergangenen Jahren wurden von den Mitgliedern unseres De- partments mehrere Feldstudien über elektromagnetische Emissionen in tektonisch aktiven Regionen durch- geführt. Die Untersuchungsgebiete lagen in Südspanien, Sizilien, Malta, Eger-Graben/Tschechische Republik und die Provence/Frankreich als auch in Süd-Chile. Theoretische Grundlagen Das Ziel dieser Untersuchungen war die Erfassung der größten horizonta- len Spannungs-Richtung in der obe- ren Erdkruste. Dazu wurden die In- tensität des elektromagnetischen Fel- des in Bezug zu der Orientierung ei- ner Richtantenne gemessen (Abb. 1). Diese Ergebnisse wurden mit akti- ven Stress-Richtungen verglichen die aus Doorstopper-Messungen, Bohrloch- Randausbrüchen, Herdflächenlösungen und neotektonischen Strukturanalysen gewonnen wurden. Die Richtungen der größten Horizontalspannungen stimmen sehr gut mit der Orientierung der ma- ximalen elektromagnetischen Emission überein. Die elektromagnetische Emission von Gesteinen unter tektonischer Spannung beruht auf dem Prinzip der Ladungs- verschiebung im molekularen Maßstab. 1 Department für Geowissenschaften, Uni- versität Hamburg, Bundesstrasse 55, 20146 Hamburg Abbildung 1: Typische Messkurve einer elektromagnetischen Messung zur Rich- tungsbestimmung der maximalen horizon- talen Krustenspannung Dabei wird in dem Gestein eine kurz- eitige Ladungstrennung und damit ein Dipol erzeugt. Dieser strahlt sowohl bei seiner Entstehung als auch beim fol- genden Ladungsausgleich eine gerich- tete elektromagnetische Welle ab. Da- bei stehen die elektrische und die ma- gnetische Komponente senkrecht auf- einander, haben aber dieselbe Orientie- rung im Raum. Die Ladungstrennung wird wahrscheinlich durch Mikrorisse hervorgerufen, aber auch der Einfluss von piezoelektrischen und piezomagne- tischen Effekten kann nicht ausgeschlos- sen werden. Daher werden hier nur die empirischen Daten präsentiert und kein spezifisches Modell für die Entstehung der elektromagnetischen Strahlung defi- niert. Empirische Ergebnisse In Südspanien wurden 2002 und 2005 EM-Messungen durchgeführt um die Reproduzierbarkeit der Messmethode zu zeigen. Die Ergebnisse der beiden Messkampagnen stimmen innerhalb der Messgenauigkeit dieser Methode über- ein und zeigen eine größte Horizontal- spannung in NW-SE-Richtung (140°). Dies ist in guter Übereinstimmung mit 1 Reuther & Moser TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 2: Vergleich von Bohrlochmessungen und elektromagnetischen Messungen zur Krustenspannungsbestimmung auf Malta der tektonischen Gesamtsituation im westlichen Mittelmeerraum. Sowohl auf Sizilien als auch auf Malta wurden die EM-Messungen mit Bohrlochmessungen aus den 1980er Jahren verglichen. Beide Methoden erbrachten dieselben Ergeb- nisse in Bezug auf die Richtung der ho- rizontalen Hauptspannung (Abb. 2) und fügen sich auch in die großräumige tek- tonische Spannungssituation ein. Eine besonders erwähnenswerte Bege- benheit tritt in Ost-Sizilien auf wo ei- ne tektonische Flexur ein anderes loka- les Spannungsfeld hervorruft als in den restlichen Teilen Siziliens (Reuther et al., 2002). Leider ist es bei der Span- nungsbestimmung mittels elektroma- gnetischer Emissionen noch nicht mög- lich den Absolutbetrag der Spannung zu ermitteln wie es bei den Bohrloch- messungen der Fall war. Die Ergebnisse aus der Tschechischen Republik können sowohl mit der Mikroriss-Theorie als auch mit dem piezoelektrischen Effekt erklärt werden. Die mit den unterschied- lichen Theorien ermittelten Hauptspan- nungsrichtungen stehen in einem Win- kel von 90° zueinander. Beide Lösun- gen können im geologischen Kontext er- klärt werden und daher kann mit die- sem Datensatz die Frage der Entstehung der Mikrorisse nicht erklärt werden. Die auf Basis von Mikrorissen als Ursa- che der elektromagnetischen Strahlung ermittelte horizontale Hauptspannungs- richtung stimmt gut mit Herdflächen- lösungen im tschechischen Schwarmbe- bengebiet überein. Der piezoelektrische Ansatz würde ein theoretisch mögli- ches regionalgeologisches Modell mit ei- ner Übertrittssituation zweier gestaf- felter Horizontalstörungen nachweisen. 2 TSK 11 Göttingen 2006 Reuther & Moser Die Spannungsbestimmung in der Pro- vence (Südfrankreich) zeigt eine NNW- SSE Richtung der maximalen Hori- zontalspannung. Diese Richtung wur- de durch neotektonische Strukturanaly- sen und neueste geodätische Vermessun- gen (Jouanne et al., 2001) andererseits bestätigt. Südchile ist eine tektonisch sehr aktive Gegend in der mit neotek- tonischen Untersuchungen basierend auf Strukturanalysen verschiedene regiona- le/lokale Krustenspannungsfelder ermit- telt wurden. Diese Spannungsdomänen sind durch Kompressions-, Extensions-, Vertikal- und Horizontal- Tektonik ge- kennzeichnet. Die Messung der elek- tromagnetischen Emissionen bestätigte die unterschiedlichen Spannungsfelder in den jeweiligen Regionen. Literatur Jouanne F, Hippolyte JC, Gamond JF & Mar- tinod J (2001) Current deformation of the Digne Nappe (southwestern Alps) from a comparison between triangulation and GPS data. Geophysical Journal International 144, 432–440 Reuther CD, Obermeyer H, Reicherter K, Reiss S, Kaiser A, Buchmann T, Adam J, Lohr- mann J & Grasso M (2002) Neotektonik und aktive Krustenspannungen in Südost Sizili- en und ihre Beziehungen zur regionalen Tek- tonik im Zentralen Mittelmeer. Mitteilun- gen des Geologisch-Paläontologischen Insti- tuts der Universität Hamburg 86, 1–24 3