TSK 11 Göttingen 2006 Lögering et al. Paläofluide in störungskon- trollierten Bruchsystemen der Aachener Geothermie- Bohrung Vortrag M.J. Lögering1 J. Kolb1 F.M. Meyer1 J. Schwarzbauer2 Einleitung In der vorliegenden Arbeit werden geologische Prozesse im Untergrund des linksrheinischen Rhenoherzynikums und deren Verhältnis zum regional- tektonischen Rahmen anhand der Proben aus der Aachener Geothermie- Bohrung mit dem Schwerpunkt des Fluid- und Stofftransportes untersucht. Die methodische Vorgehensweise basiert auf einer systematischen und detaillier- ten Bestandsaufnahme der Paläofluide in Form von Flüssigkeitseinschlüssen an Kernmaterial der Bohrung. Im Aachener Raum wurden Untersu- chungen von Flüssigkeitseinschlüssen hauptsächlich an postvariszischen Pb-Zn-Gangvorkommen durchgeführt. Die Homogenisierungstemperaturen (Th) von NaCl-CaCl2-Lösungen unter- schiedlicher Salinität liegen zwischen 70°C und maximal 190°C (Redecke 1992, Stroink 1993, Muchez et al. 1994, Glasmacher 1995). Für die tektonisch- metallogentische Entwicklung des Rheinischen-Schiefergebirges können generell zwei Fluid-Aktivitätsperioden unterschieden werden (Behr et al. 1993). Die im Zuge der variszischen Gebirgsbildung synkinematische Deflui- disierung des Orogenkörpers generierte das Fluid-System der ‚Tectonic Brines‘ 1 Institut für Mineralogie und Lagerstätten- lehre, RWTH Aachen, Wüllnerstr. 2, D-52056 Aachen 2 Lehrstuhl für Geologie, Geoche- mie und Lagerstätten des Erdöls und der Koh- le, RWTH Aachen Lochnerstr. 4–20, D-52056 Aachen (1). Diese sind Na-(K)-Cl-betonte Lösungen geringer Salinität mit CO2, CH4 und N2 sowie durch Th ≤ 350°C gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu wurden die meisten postvariszischen Ganglagerstätten des Rheinischen- Schiefergebirges durch ‚Basement Brines‘ (2) gebildet. Diese sind Ca- Na-Cl-Lösungen hoher Salinität mit Th ≤ 250°C (Behr et al. 1993). Regionale Geologie Die 2544m tiefe Bohrung befindet sich ca. 500m nordwestlich der Aachener Überschiebung und durchteuft Gesteine des Karbon und Devon. Die untersuch- te Kernstrecke von 1391m bis 1516m umfasst Gesteine des Ober Devon. Sie besteht aus Ton-Silt-Feinsandstein Wechselfolgen mit zwischengeschalte- tem Dolomit, Dolomit- bzw. Kalzit- mergel und bioreliktischem Knollen- kalk. Ton-Siltbereiche sind mehrfach geschiefert. Die zweite Schieferung ist durch eingeregelten Chlorit gekennzei- chent. Karbonatbereiche sind dolomi- tisiert. Die Lithologien wurden wie- derholt von kataklastischen Deforma- tionsprozessen erfasst. Die Nordost- Südwest streichende Aachener Über- schiebung lässt sich nach Westen hin über die Eifel-Überschiebung bis hin zur Faîlle du Midi-Überschiebung bis nach Belgien verfolgen. Im östlichen Rhei- nischen Schiefergebirge sind bedeuten- de variszische Überschiebungen West- Ost gerichtet. Die Pb-Zn Vererzungen im Aachener Raum sind an postvaris- zische, Nordwest-Südost angelegte Stö- rungszonen gebunden. Gangpetrographie Die lithologischen Einheiten werden von unterschiedlich orientierten, teilwei- se konjugierten Gängen und Gangsyste- 1 Lögering et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 1: Schergang mit befreiender Krümmung (Teufe 1483,84m) men durchschlagen. Die Gänge zeigen syntaxiale, aber auch antitaxiale Gang- gefüge und variieren in der Mächtigkeit von <1mm bis 3 cm. Drei Gangtypen werden unterschieden: 1. Quarz-Karbonat Gänge ± Chlorit ± Sulfat, 2. Karbonat Gänge ± Chlorit und 3. Quarz Gänge ± Chlorit. Die hydrothermale Fällung des Mineral- inhaltes der Gänge erfolgte mit der epi- sodischen tektonischen Öffnungsbewe- gung. Die Gänge werden Aufgrund der Tektonik und ihrer Geometrie in Scher- gänge, befreiende Krümmungen (dila- tional jog) und Fiederspalten gegliedert (Abb. 1 u. 2). Duktile Deformation wird durch die Rekristallisation von Quarz, Kalzit und Dolomit angezeigt. Die Re- kristallisation findet hauptsächlich an Gangrändern, aber auch innerhalb der Gänge statt. Durch den bruchkontrol- lierten Fluidfluss kam es zu hydrother- maler Alteration des Nebengesteins, die vor allem durch Dolomit- und Chlorit- neubildung gekennzeichnet ist. Abbildung 2: Quarz-Karbonat-Gänge als Fiederspalten (Teufe1433,7m) Flüssigkeitseinschlusspetrographie Bei den Flüssigkeitseinschlüssen im Quarz sowie Kalzit und Dolomit han- delt es sich um dunkle, CO2-reiche und transparente, H2O-reiche zweiphasige Einschlüsse. Dabei kann im Quarz zwischen ca. 15–30µm großen, primären Einschlüssen, die isoliert innerhalb von Kristallen auftreten und ca. 4–8 µm großen, sekundären Einschlüssen, die entlang von Trails, Korngrenzen und in Klustern auftreten, unterschieden werden. Die Einschlüsse im Kalzit und Dolomit kommen als Kluster oder isoliert vor. Sie sind überwiegend 2–8µm, vereinzelt bis zu ca. 25 µm groß und primär eingeschlossen. Sekundäre Einschlüsse im Kalzit und Dolomit sind selten und kommen als Trails vor. Die Einschlüsse zeigen unterschiedliche Homogenisierungstemperaturen, die durch eine Temperaturzunahme vom Zentrum der Gänge (Th = 240–260°C) zum Gangrand (Th = 330–360°C) gekennzeichnet sind. Gasförmige Inhaltsstoffe von Fluideinschlüssen wurden mittels Gaschromatographie als CO2, CH4 und N2 bestimmt (Abb. 3). 2 TSK 11 Göttingen 2006 Lögering et al. Abbildung 3: Gaschromatogramm der Flüssigkeitseinschlüsse aus einem Quarz-Karbonat Gang Mikrothermometrie und Geother- mometrie Die Fluide der primären und se- kundären Einschlüsse bestehen aus Na-(K)-Cl-haltigen Lösungen mit einer geringen Salinität. Die Homo- genisierungstemperaturen sekundärer Einschlüsse in Quarz der Quarz- Karbonatgänge (1) bzw. der Quarz- gänge (3) sind mit einer Salinität von ca. 5 Gew.% NaCl-Äq. und Th von 180 bis 230°C relativ einheitlich, während die primären Einschlüsse in den Quarz- Karbonatgängen (1) im höheren Th von 240 bis 380°C streuen und eine Salinität von <4–6 Gew.% NaCl-Äq. aufweisen. In den Karbonatgängen (2) haben die Einschlüsse im Kalzit unterschiedliche Th von 240–280°C und Salzgehalte von <4–5 Gew.% NaCl-Äq. Die Einschlüsse im Dolomit haben eine Salinität um 6Gew.% NaCl-Äq. und bilden zwei Gruppen mit Th bei 310°C bzw. 370°C. Die Th der Einschlüsse in den Quarz- Chlorit Gängen (3) liegen bei 360°C mit einer Salinität von 6–<9Gew.% NaCl-Äq. (Abb. 4). Kalzit-Dolomit Geothermometer ergeben Temperatu- ren ähnlich der mikrothermometrischen Daten primärer Einschlüsse zwischen 280 bis 370°C. Unterschiedliche Chlo- ritthermometer ergeben konsistente Temperaturen zwischen 290 bis 350°C und zeigen mit den Isochoren der primären Fluideinschlüsse im Quarz und Kalzit-Dolomit Drücke von 2 kbar an. Diskussion Die sekundären Flüssigkeitseinschlüsse mit geringer Salinität und Homogenisie- rungstemperaturen von 180°C bis 230°C zeigen ein späteres Reaktivierungser- eignis und somit möglicherweise einen postvariszischen Fluidtransport, der mit der regionalen Pb-Zn-Vererzung im Zu- sammenhang stehen könnte. Die unter- suchten primären Flüssigkeitseinschlüs- se mit Th von 240 bis 380°C sind bis- her im linksrheinischen Schiefergebir- ge nicht beschrieben worden. Die Flui- de sind Na-(K)-Cl-betonte Lösungen ge- 3 Lögering et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 4: Diagramm für die Salinität (Gew.% NaCl-Äq.) Gegen die Homogenisie- rungstemperatur (Th) für die Einschlüsse in Quarz-, Kalzit- und Dolomitkristallen ringer Salinität. Die Th und die Zu- sammensetzung der Fluide können Auf- grund der gleichen Fluidzusammenset- zung direkt mit den ‚Tectonic Brines‘ im variszischen Basement von Mitteleuro- pa (Behr et al. 1993) korreliert werden. Desweiteren zeigen Ergebnisse der Un- tersuchungen von Schroyen et al. (2000) und Muchez et al. (2000) im Falten und Überschiebungsgürtel von Ostbelgi- en sowie in den Varisziden von Belgien und Nordfrankreich ähnliche Homogeni- sierungstemperaturen und Zusammen- setzungen der Fluide. Die Bohrung befindet sich im Überschie- bungsgürtel der Aachen-Überschiebung. Daher erfolgte der Fluidtransport ver- mutlich entlang der SW-NE gerichte- ten Aachener Überschiebung während der variszischen Gebirgsbildung. Die ho- hen Fluidtemperaturen im Zusammen- hang mit der nicht weit in das Ne- bengestein reichenden Alteration las- sen auf ein geringes Fluid/Gesteins- Verhältnis schließen und implizieren damit einen kurzzeitigen, episodischen Fluidfluss durch tektonische Öffnungs- bewegungen entlang von Scherzonen. Diese Fluide sind durch die primären Einschlüsse der Aachener Geothermie- Bohrung repräsentiert. Dem gegenüber stehen die Fluideinschlüsse von postva- riszischen Pb-Zn-Gangvorkommen, wo- bei hier allerdings der Fluidtransport entlang des NW-SE gerichteten postva- riszischen Störungssystems verläuft. Die Aachener Geothermie-Bohrung stellt das fehlende Glied zwischen den Un- tersuchungen an Falten- und Überschie- bungsfronten der Eifel-Überschiebung und der Faille du Midi-Überschiebung nach Westen und dem Rheinischen Schiefergebirge nach Osten dar. Literatur Behr HJ, Gerler J, Hein UF & Reutel CJ (1993) Tectonic Brines and Basement Brines in den mitteleuropäischen Varisziden: Her- kunft, metallogentische Bedeutung und geo- logische Aktivität. Göttinger Arb. Geol. Pa- läont. 58, 3–28 Glasmacher U (1995) Variszische und postva- riszische Fluidsysteme. In: Walter R, Glas- macher U & Wolf M, (eds): KW-relevante Eigenschaften potentieller Mutter- und Spei- chergesteine am Nordrand des Linksrhei- nischen Schiefergebirges. RWTH Aachen, BMBF-Forschungsprojekt 032 6804 A 5, 01.04.1991-30.09.1994, Teil 5, 1–40 Muchez P, Slobodnik M, Viaene W & Keppens E (1994) Mississippi Valley-type Pb-Zn mi- neralization in eastern Belgium: indications for gravity-driven flow. Geology 22, 1011– 1014 Muchez P, Sintubin M & Swennen R (2000) Origin and migration pattern of palaeofluids during orogeny: discussion on the Variscides of Belgium and nothern France. Journal of Geochemical Exploration, 69–70, 47–51 Redecke, P (1992) Zur Geochemie und Gene- se variszischer und postvariszischer Buntme- tallmineralisation in der Nordeifel und der Niederrheinischen Bucht. RWTH Aachen, Dissertation, pp 159 Schroyen K & Muchez P, (2000) Evolution of metamorphic fluids at the Variscan fold-and- thrust belt in eastern Belgium. Sedimentary Geology 131, 163–180 Stroink L (1993) Zur Diagenese paläo- zoischer Sandsteine am Nordrand des Linksrheinischen-Ardennischen Schiefer- gebirges. Aachener Geowissenschaftliche Beiträge, Band 1, Verlag der Augustinus Buchhandlung, Aachen, pp 190 4