TSK 11 Göttingen 2006 Nagel & Buck Über die mechanischen Ursa- chen von parallelen Abschie- bungen Vortrag Thorsten Nagel1 Roger Buck2 Gruppen von parallel einfallenden Ab- schiebungen treten in der Natur sehr häufig und in unterschiedlichsten Di- mensionen auf. Existierende, überwie- gend experimentelle Arbeiten führen einheitliches Einfallen auf laterale Fe- stigkeitsschwankungen oder, vor allem, auf horizontale Scherspannungen zurück (e.g. Brun et al. 1994, Behn et al. 2002). Einheitliche horizontale Scherspannun- gen im großen Maßstab werden mit ei- ner konsistenten Fließrichtung in der mittleren und/oder unteren Kruste er- klärt. Beobachtungen in einigen der be- deutensten Rift-Systeme lassen jedoch beide Erklärungen als zentrale Ursa- che unwahrscheinlich erscheinen. In der Basin-and-Range-Provinz in den westli- chen Vereinigten Staaten ändert sich die Einfallrichtung von parallelen Abschie- bungen im Streichen der Störungen, so dass strukturelle Domänen mit intern einheitlicher Einfallrichtung entstehen, die von Blattverschiebungen unterein- ander getrennt werden. Eine solche Geo- metrie ließe sich nur mit bizarren Fließ- mustern in der Unterkruste erklären. Wir präsentieren numerische Extensi- onsexperimente von sprödem Material, das auf einem linear-viskosen Substrat ruht. Parallele Abschiebungen treten in der oberen Schicht nur dann auf, wenn das Substrat mäßig viskos und nur ei- ne relativ dünne Schicht ist, die eine in der vertikalen Richtung fixierte Un- tergrenze hat. Mit diesen Randbedin- gungen bilden sich parallele Abschie- 1 Geologisches Institut Bonn 2 Lamont Do- herty Earth Observatory, Palisades, NY, USA bungen auch dann, wenn die Untergren- ze scherstressfrei ist. Wir erklären die- ses Verhalten mit den Fließeigenschaf- ten von Flüssigkeiten in dünnen visko- sen ‚Kanälen‘D˙ie Wechselwirkung mit einem viskosen Substrat führt in er- ster Linie dazu, dass die Verformung in der spröden Schicht verteilt ist — die obere Lage wird boudiniert. Wenn der Abstand zwischen einzelnen Brü- chen (Boudin-necks) kleiner als die ela- stische Wellenlänge der oberen Lage ist, minimiert eine Geometrie von einheit- lich einfallenden Störungen die visko- se Arbeit in der unteren Schicht. Dies ist so, weil in einem viskosen Kanal die zu leistende Arbeit quadratisch von der Entfernung zwischen Quellen und Sen- ken im Fließmuster abhängt und eine Geometrie von parallelen Abschiebun- gen eben diese Entfernung minimiert. Desweiteren unterscheiden wir zwei Geometrien, mit denen die spröde Lage in einem ‚Boudin-neck‘ nachgeben kann — einzelne Störungen und lokale Grä- ben, d.h. zwei entgegengesetzt einfallen- de Störungen, die sich nahe der Gren- ze zwischen sprödem und viskosem Ma- terial schneiden. Wir beobachten, dass ein hoch viskoses Substrat die Bildung von lokalen Gräben — im Gegensatz zu einzelnen Störungen — begünstigt. Am unteren Ende einer Störung treten im viskosen Material in einem begrenzten Bereich die höchsten Verformungsraten auf. Eine einzelne Störung muss dabei mehr Arbeit leisten als ein lokaler Gra- ben, da es zu einem vertikalen Versatz der beiden Blöcke kommt. Diese ‚Stra- fe‘ für einzelne Störungen (die andere energetische Vorteile haben) nimmt mit zunehmender Viskosität des Substrats zu. Das heißt, dass das viskose Sub- strat bei der Bildung von parallelen Ab- schiebungen (die ja aus einer Folge ein- 1 Nagel & Buck TSK 11 Göttingen 2006 zelnen Störungen bestehen) nicht allzu hoch sein darf, da es sonst zur Bildung von einer Serie von Horsten und Gräben kommt. Ein niedrig viskoses Substrat führt jedoch zu weit auseinander liegen- den Brüchen, wenn die viskose Lage dick ist oder eine schwimmende Untergrenze (Winkler-foundation) hat. Eine dünne, mäßig viskose Lage verbindet die bei- den erforderlichen Eigenschaften, indem sie wenig Widerstand an der Untergren- ze einzelner Störungen bietet und dazu die spröde Lage effektiv boudiniert. In unseren Modell sind parallele Ab- schiebungen nicht, wie bisher ange- nommen, auf einheitlichen horizonta- len Scherstress, sondern auf vertika- le Normalspannungen zurückzuführen, d.h. auf den Widerstand, den das vis- kose Substrat vertikalen Blockbewegun- gen in der spröden Lage entgegensetzt. Wenn unser Modell richtig ist, wür- de das für Gebiete wie die Basin-and- Range-Provinz bedeuten, dass die sprö- de Oberkruste auf einer wenige Kilo- meter dicken, viskosen mittleren Kru- ste liegt, die wiederum ein festeres Sub- strat hat. Die Unterkruste müsste deut- lich fester sein als die mittlere Kruste. Es scheint, dass Folgen von parallelen Abschiebungen häufig in dünnen, nied- rig viskosen Lagen (etwa Ton oder Salz) wurzeln. Literatur Behn, MD, Lin J & Zuber MT (2002) A con- tinuum mechanics model for normal faulting using a strain-rate softening rheology: Impli- cations for rheological controls on continen- tal and oceanic rifting, Earth. Planet. Sci. Lett., 202, 725–740. Brun J-P, Sokoutis D & van den Driessche J (1994) Analogue modeling of detachment fault systems, Geology, 22, 319–322. 2