TSK 11 Göttingen 2006 Nitzsche et al. Strukturanalyse juveniler Fragmente in Vulkaniklastika des Messel Maar-Diatrems Poster Thomas Nitzsche1,2 Helga de Wall2 Christian Rolf1 Einführung Geophysikalische Untersuchungen im Gebiet der Grube Messel (25 km süd- lich von Frankfurt) ließen schon vor eini- gen Jahren eine Maar-Diatrem-Struktur im Untergrund vermuten. Jedoch erst die gekernte Forschungsbohrung im Jahr 2001 bewies die Existenz eines durch phreatomagmatische Eruptionen gekennzeichneten Maar- Vulkans, der vor ca. 48Ma aktiv war. Neben den be- rühmten fossilreichen Ölschiefern wurde im Teufenbereich zwischen −240m und −370m unter der Erdoberfläche vul- kaniklastisches Material entdeckt. Un- terhalb des so genannten Lapillituffs wurden bis zur Endteufe von −433m Gesteine der Diatrem-Brekzie erbohrt. Um das schwer differenzierbare, vulka- nische Gestein in situ detaillierter un- tersuchen zu können, sind gesteinsmag- netische Messungen besonders wertvoll. Hierbei kann die magnetische Suszepti- bilität (MS), die Magnetisierbarkeit ei- nes Gesteins, für quantitative und qua- litative Analysen sehr hilfreich sein. Die juvenilen Lapilli, an die die ferrimag- netischen Minerale bzw. die magneti- schen Träger gebunden sind, sind da- bei von besonderem Interesse. Bildana- lytische Auswertungen sowohl an Ker- nen als auch an Dünnschliffen dienen dabei zur Interpretation des Suszeptibi- 1 Institut für Geowissenschaftliche Gemein- schaftsaufgaben (GGA) Hannover 2 Insti- tut für Geologie, Julius-Maximilians-Universi- tät Würzburg litätslogs der durchgeführten Bohrloch- messungen. In dieser Studie ist wei- terhin ein besonderes Augenmerk dem magnetischen Gefüge der Vulkaniklasti- ka verliehen. Dabei liefern Messungen der Anisotropie der magnetischen Sus- zeptibilität (AMS) Informationen über die räumliche Anordnung der magne- tischen Minerale (Foliation und Linea- tion) und offenbaren dadurch interne Strukturen des Gesteins. Suszeptibilität und juvenile Frag- mente Während der Forschungsbohrung im Jahr 2001 wurde die magnetische Sus- zeptibilität im Bohrloch mit einer Sus- zeptibilitätssonde mit einer Abtastrate von 5 cm gemessen (Wonik & Bücker 2000). Betrachtet man die MS in Ab- bildung 1a vom Hangenden zum Lie- genden, so steigen diese mit starken Schwankungen, aber mit einem nahe- zu linearen Trend vom oberen Bereich des Lapillituffs in −250m Tiefe bis ca. −360m im Mittel von 0,01 SI auf Werte bis zu 0,03 SI an. Beim Verlas- sen der Vulkaniklastika und mit Errei- chen der Diatrem-Brekzie fällt die Sus- zeptibilität fast sprunghaft auf geringe bis mittlere Werte (<< 0,01 SI) zurück. Der lineare Trend mit ansteigender Sus- zeptibilität unter starken Schwankun- gen der Werte ist auch durch Untersu- chungen an Proben im Labor nachvoll- ziehbar und bestätigt worden (Abb. 1a). Der Nebengesteinsanteil innerhalb der Vulkaniklastika beträgt 5–35% und zeigt keine Korrelation mit dem MS- Log. Bildanalytische Untersuchungen an Dünnschliffen des vulkaniklastischen Materials dagegen belegen eindeutig ei- ne Zunahme der mittleren juvenilen Kornflächengrößen bis –360m, welche mit dem MS-Log sehr gut korrelieren 1 Nitzsche et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 1: a) Messungen der Suszeptibilität im Bohrloch (Daten von T. Wonik, GGA- Institut) und an Einzelproben im Labor, b) Darstellung der bildanalytischen Auswertung für die Zunahme der mittleren Korngrößenflächen der gemessenen Partikel und c) Dia- gramm des durchschnittlichen Plättungsgrades (F = Länge/Höhe) juveniler Fragmente. (Abb. 1b). Die ansteigende Suszeptibi- lität spiegelt somit eine Korngrößenzu- nahme der juvenilen Fragmente wider. Untersuchungen des Plättungs- grades einzelner juveniler Klasten 2 TSK 11 Göttingen 2006 Nitzsche et al. Abbildung 2: a) Rückorientierte kmax und kmin Achsen im Schmidt’schen Netz mit Pro- jektion in die untere Lagenhalbkugel. Veranschaulicht sind jeweils die Einzelwerte (links) und die Belegungsdichtediagramme (rechts). b) Karte der Schwereanomalien im Umfeld von Messel und weiteren Maar- Vulkanen (Kreise) (nach Buness et al. 2004). Auffällig ist eine SW–NE orientierte Zone, die den Übergang von geringen zu hohen Schwerewer- ten darstellt, die sogenannte Messel- Störungszone (Jacoby et al. 2000). Vorzugsrichtung der magnetischen Lineation der Vulkaniklastika von Messel (Schmidt’sches Netz unten rechts). 3 Nitzsche et al. TSK 11 Göttingen 2006 zeigen oberhalb –300m sehr ähnliche gemittelte Werte (Abb. 1c). Dagegen liefern die abgelagerten juvenilen Frag- mente unterhalb –300m die höchsten Werte und bilden hier den größten Grad der Abflachung. Paläomagnetische Un- tersuchungen weisen auf hohe Abla- gerungstemperaturen (>300°C) für die untere Hälfte des Lapillituffs hin (Nitz- sche et al., im Druck), so dass sich die ju- venilen Komponenten hier relative leicht verformen konnten. Die juvenilen Kör- ner erlauben durch ihre Geometrie den Lapillituff bildanalytisch in eine obere und untere Hälfte abzugrenzen. Sie be- stimmen die strukturellen Trends des magnetischen Gefüges im Gestein und sind für weitere strukturgenetische Mo- dellierungen essentiell. Anisotropie der magnetische Sus- zeptibilität (AMS) der Vulkanikla- stika Trotz des makroskopisch meist struk- turlos erscheinenden, vulkaniklastischen Materials, liefert die Methodik der AMS ein ideales Instrument zur Untersu- chung des internen Gefüges. In obla- ten Gefügen ist die Raumlage der klein- sten Achse des AMS- Ellispoids (Pol zur magnetischen Foliation, êmin) sehr gut definiert, während in prolaten Gefügen die längste Achse des Ellispoids (mag- netische Lineation, êmax) in ihrer Raum- lage bestimmt ist (Tarling & Hrouda 1993). Aufgrund der horizontal unorientierten Kerne, mussten die AMS- Daten mit- hilfe paläomagnetischer Daten (Dekli- nation der natürlich remanenten Mag- netisierung (NRM)) rückorientiert wer- den. Die gefilterten êmax Achsen zei- gen dabei generell flache Inklinatio- nen. Nach Rückorientierung gruppie- ren sich die Achsen zu einem subho- rizontalen NW–SE orientierten Cluster (Abb. 2a). Diese Richtung entspricht ungefähr der tatsächlichen geographi- schen Orientierung der Lineation des vulkanischen Materials, da die Paläo- deklination vor ca. 48Ma, um nur 10° von der heutigen Deklinationsrichtung abweicht (McElhinny & Lock 1990). Beim Betrachten der êmin Deklinatio- nen/Inklinationen macht sich ebenfalls ein Trend bemerkbar (Abb. 2a). Hier erscheinen die Deklinationen in einem NE–SW orientierten Gürtel, mit star- ker Belegung der steilen Foliationspo- le und daher überwiegend flacher Ori- entierung der magnetischen Foliation. Das Gefüge der Vulkaniklastika inner- halb des Messel Maar-Diatrems resul- tiert möglicherweise aus Überlagerun- gen einer aus der Kompaktion resultie- renden Vertikalspannung mit horizonta- len tektonischen Paläospannungen der Rheingrabentektonik. Gravimetrische Messungen im Gebiet um Messel zeigen einen markanten Gra- dienten, der auf ein ENE-streichende Krustendiskontinuität schließen läßt (Abb. 2b), und als Messel Störungslinie bezeichnet wird (Jacoby et al. 2000). Die Orientierung der Lineation genau senkrecht zum Streichen der Messel- Störungszone spricht für eine genetische Relation der AMS Lineation zu dieser Störungslinie. Literatur Buness H, Gabriel G, Pucher R, Rolf C, Schulz R & Wonik T (2004) Grube Messel: Die Geo- physik blickt unter die Abbausohle. Natur u. Mus. 134, 65–76 Jacoby W, Wallner H & Smilde P (2000) Tek- tonik und Vulkanismus entlang der Messel- Störungszone auf dem Sprendlinger Horst: Geophysikalische Ergebnisse. Z. dt. geol. Ges. 151, 493–510 McElhinny MW & Lock J (1990) IAGA global 4 TSK 11 Göttingen 2006 Nitzsche et al. palaeomagnetic database. Geoph. J. Intern. 101, 763–766 Nitzsche T (im Druck) Origin of magnetic an- omalies in volcaniclastic units of the Messel maar-diatreme (Germany). Z. dt. Gew. Ges. Tarling, DH & Hrouda, F (1993) The Magnetic Anisotropy of Rocks; S. 217, London (Chap- man & Hall) Wonik T & Bücker C (2000) Möglichkeiten der Bohrlochgeophysik im Institut für Geowis- senschaftliche Gemeinschaftsaufgaben. Mit- teilungen der deutschen geophysikalischen Gesellschaft, Sonderband 3: 41–43 5