TSK 11 Göttingen 2006 Leiss & Ullemeyer Neue Perspektiven der Tex- turanalytik von Gesteinen mit konventioneller Röntgen- beugung Poster Bernd Leiss1 Klaus Ullemeyer2 Technische Entwicklungen und verbes- serte Messmethoden haben in den ver- gangenen 15 Jahren in der Gesteinstex- turanalyse zu einer zunehmenden Nut- zung vor allem der Elektronen- und Neutronenbeugung geführt. Dabei ist die Anwendung der Röntgentexturana- lyse in der Geologie in den Hinter- grund getreten. Neue technische Optio- nen dieser Methode, wie sie zum Bei- spiel für die Qualitätskontrolle in der Si- liziumchipherstellung entwickelt worden sind, haben noch keinen Eingang in die Gesteinstexturanalyse gefunden. Steht die volumenbezogene Gesamttexturana- lyse im Vordergrund, so hat die Rönt- genbeugung spezifische Vorteile. Gegen- über der Elektronenbeugung am Raster- elektronenmikroskop (Backscatter Elec- tron Diffraction) ist keine aufwendige Probenpräparation notwendig und es kann ein wesentlich größeres Probenvo- lumen erfasst werden. Gegenüber der Neutronenbeugung ist die Röntgenbeu- gung wesentlich kostengünstiger und die zur Verfügung stehende Messzeit ist im Prinzip unbeschränkt. Nachteile der Röntgentexturanalyse sind die notwendige Messdatenkorrek- tur aufgrund der Defokussierung des Messstrahls im Verlauf der Messung (Ullemeyer & Weber 1994), die unter Umständen schlechte Auflösung bezüg- lich Gitterabstand d, und das gegenüber der Neutronenbeugung wesentlich ge- 1 Geowissenschaftliches Zentrum Göttin- gen, Goldschmidtstraße 3, 37077 Göttingen 2 Geologisches Institut, Universität Freiburg, Albertstr. 23B, 79104 Freiburg ringere messbare Probenvolumen. Die Anwendung der Röntgentexturana- lyse war daher klassischerweise auf monophase und feinkörnige Gesteine beschränkt. Um diese Nachteile der bisherigen Rönt- gentexturanalyse kostengünstig zu mini- mieren, wurde für die Abteilung Struk- turgeologie und Geodynamik des Geo- wissenschaftlichen Zentrums der Uni- versität Göttingen ein neues Röntgen- texturgoniometer auf der Basis von neu entwickelten Standardbauteilen der In- dustrie für die Gesteinstexturanalyse in- dividuell konfiguriert und die eigene Messdatenauswertestrategie angepasst: • Glasfaserkapillaren (Polykapillare) ermöglichen eine Aufweitung des dadurch parallelen Primärstrahls auf einen maximalen Durchmesser von 7 mm ohne hohen Intensitäts- verlust. Damit ist ein vergleichswei- se großes Probenvolumen in kurzer Zeit messbar • die hohe Strahlintensität erlaubt in Kombination mit entsprechen- den Kollimatoren auf der Sekun- därseite trotz kurzer Messzeiten ei- ne hohe d-Wert-Auflösung • eine zusätzliche Kreuzblende auf der Sekundärseite erlaubt die Ver- kleinerung des Messstrahls und damit individuelle Strahlgeometri- en bei spezifischen Fragestellungen (z.B. Messung lokaler Texturen) • ein in X und Y verfahrbarer Pro- bentisch erlaubt Translationsbewe- gungen, um das genutzte Proben- volumen zu erhöhen, lokale Textu- ren automatisiert innerhalb eines 100 × 100mm großen Rasters zu messen, oder mehrere Proben nach- einander automatisch zu messen 1 Leiss & Ullemeyer TSK 11 Göttingen 2006 • der Probentisch erlaubt Probengrö- ßen mit bis zu 20 cm Durchmesser und 24mm Höhe Durch diese erweiterten Anwendungs- möglichkeiten der Röntgentexturanaly- tik auf grobkörnigere und/oder polymi- neralische Gesteine und die lokale Tex- turanalyse per Rastermessung, sowie die gleichzeitige Erhöhung des Proben- durchsatzes werden wesentlich umfang- reichere Datensätze erzeugt. Des Weite- ren hängt die Qualität der resultieren- den Polfiguren stark von der zuverläs- sigen Korrektur des Defokussierungsef- fekts ab. Die bewährte empirische Kor- rektur mit Hilfe regelloser Pulvermes- sungen soll beibehalten werden, denn sie erlaubt auch die Korrektur von Korn- formeinflüssen, die z.B. bei Polfigur- messungen an Schichtsilikaten bei sehr kleinen Streuwinkeln erheblichen Ein- fluss haben (Ullemeyer & Weber 1994). Auch kleinere Justierungsfehler beim Probeneinbau können unter Umstän- den nachträglich korrigiert werden. Da der Defokussierungseffekt von mehre- ren Parametern abhängt (Strahldimen- sionen, Streuwinkel, Kornformanisotro- pie), muss für routinemäßige Korrektu- ren eine umfangreiche Datenbank zur Verfügung stehen. Aufgrund der schnel- len und automatisierten Messungen ist die Erstellung und Aktualisierung der Datenbank unproblematisch. Mit Hilfe von Texturmessungen senk- recht zueinander stehender Schnittlagen ist die Güte der Defokussierungskorrek- turen sehr gut abschätzbar: bis zu ei- nem Kippwinkel von 70° ist die Korrek- tur unproblematisch und je nach Anfor- derung an die Messung oft bis 80° hinrei- chend genau. Die hier nur im Reflexions- modus messbaren experimentelle Rönt- gentexturpolfiguren sind jedoch generell unvollständig. Um vollständige Polfigu- ren zu erzeugen gibt es zwei Herange- hensweisen: 1. ist erkennbar, dass in den Ausfalls- bereichen keine wesentlichen Tex- turinformationen enthalten sind (Bereiche unter ein mal die Gleich- verteilung), lassen sich fehlende Da- ten durch Extrapolation berechnen 2. die Daten aus drei senkrecht zuein- ander stehender Schnittlagen wer- den kombiniert. Da alle bekannten Programme für die quantitative Texturanalyse mit unvoll- ständigen Polfiguren umgehen können, kann alternativ auf die Vervollständi- gung der Polfiguren verzichtet werden. Die dann erforderliche größere Zahl an Eingabepolfiguren kann aufgrund der Geschwindigkeit der Messungen leicht gewonnen werden. Die Kombination neuer Messoptionen aufgrund weiter entwickelter technischer Komponenten mit optimierten Korrek- turfunktionen und der vergleichswei- se kostengünstige Betrieb erweitern die Anwendungsmöglichkeiten der an sich konventionellen Röntgentexturanalytik enorm und ermöglichen damit auch die Bearbeitung neuer Fragestellungen in den Geowissenschaften. Bezüglich der nutzbaren Probenvolumina bewegt sich die Röntgentexturanalytik in der vorge- stellten Konfiguration im mm- bis cm- Bereich und steht damit zwischen der Elektronen (µm bis mm)- und Neutro- nenbeugung (cm-Bereich). Die Röntgen- texturanalytik sollte bei entsprechen- den Texturanalyseanforderungen wieder stärker berücksichtigt werden. Literatur Ullemeyer K & Weber K (1994) Correcti- on of phyllosilicate (002) X-ray pole figu- 2 TSK 11 Göttingen 2006 Leiss & Ullemeyer re measurements. In: Textures of Geolo- gical Materials (eds. Bunge et al.), DGM Informationsgesellschaft-Verlag, Oberursel, pp 83 3