TSK 11 Göttingen 2006 Pfaar et al. Gefügecharakterisierung von Calcitmyloniten und Marmo- ren bezüglich senkrecht zu- einander stehender Falten- teilstrukturen, Alpi Apuane, Italien Poster Rüdiger Pfaar1 Bernd Leiss1 Gian- carlo Molli2 Jens M. Walter3 Im nördlichen Teil des Appenin in Ita- lien ist der metamorphe Komplex der Alpi Apuane in Form eines tektoni- schen Fensters sehr gut aufgeschlosssen. Die metamorphen Gesteine der Alpi Apuane — Metakarbonate, Kiesel- und Karbonatschiefer sowie Phyllite — sind aufgrund der Kollision der korsisch- sardischen Mikroplatte mit der ita- lienischen Halbinsel im mm bis km- Maßstab verfaltet worden. Im zentra- len Teil der Alpi Apuane biegt das ge- nerelle N–S Streichen der Faltenstruk- turen in eine E–W Richtung um. Fal- tenstrukturen mit senkrecht zueinander stehenden Faltenachsen sind charakte- ristisches Strukturmerkmal u.a. ‘Meta- morpher Kernkomplexe’ und Schlüssel zum Verständnis von Deformationsge- schichte und mechanismen. Die Ent- wicklung dieser Strukturen wird kontro- vers diskutiert. Auf der Basis einer vorangegangenen, eigenen Detailkartierung des Umbie- gungsbereiches im Maßstab 1:5000, ist es Ziel dieser Arbeit, Kornformgefüge und kristallographische Vorzugsorientie- rungen (Texturen) mit den makro- und grossmaßstäblichen Gefügen der Falten- teilstrukturen systematisch zu charak- 1 Geowissenschaftliches Zentrum der Univer- sität Göttingen, Goldschmidtstr. 3, 37077 Göttingen 2 Dipartimento di Scienze della Terra, Università di Pisa, Via San Maria 53, 56126 Pisa, Italien 3 Forschungszentrum Jü- lich, 52428 Jülich terisieren und zu korrelieren. Diese Ar- beiten sollen zum einen zum Verständ- nis der Deformationsgeschichte der Al- pi Apuane, aber auch zum generel- len Verständnis von Deformationsme- chanismen und -prozessen von Kar- bonaten beitragen. Aufgrund des stei- len Reliefs und guter Aufschlussver- hältnisse durch zahlreiche Steinbrüche können die Strukturen dreidimensio- nal kartiert und beprobt werden. Die in der ersten Deformationsphase (D1) eng verfaltete, N–S streichende Synkli- ne von Arni biegt nach Süden hin in- nerhalb einer relativ kurzen Distanz von 100 bis 200m in ein E–W-Streichen um. Der N–S-streichende Teil entspricht dem generellen Streichen innerhalb des Kernkomplexes, das Vorkommen des E–W-streichenden Teils ist lokal be- grenzt. Die Streckungslineare sind so- wohl im N–S-streichenden als auch im E–W-streichenden Bereich senkrecht zur Faltenachse entwickelt und in lo- kal auftretenden Scherzonen in Klein- falten mitverfaltet. Während der spä- teren zweiten, extensionalen Deforma- tionsphase (D2) werden die gesamten D1-Faltenstrukturen durch offene Fal- ten mit subhorizontal einfallenden Fal- tenachsenflächen überprägt. Das unter- suchte Probenmaterial stammt aus der Einheit der jurassischen Marmore. Die orientierte Probennahme erfolgte struk- turbezogen, d.h. es wurden Proben aus Scherzonen und aus verschieden stark verfalteten Bereichen bzw. aus den Fal- tenschenkeln und den Scharnieren der unterschiedlich streichenden Faltenteil- strukturen entnommen. Die Korngrößen- und Kornformgefü- geanalysen erfolgten mit Hilfe des Po- larisationsmikroskops, die Polfigurmes- sungen für die Texturanalysen wur- den am Pulver- und Texturdiffrakto- 1 Pfaar et al. TSK 11 Göttingen 2006 Abbildung 1: Dünnschlifffotos (gekreuzte Nicols) und Polfiguren für Calcit senk- recht zur Foliation und parallel zum Streckungslinear orientiert (X parallel zum Streckungslinear, Y senkrecht zum Streckungslinear und Z senkrecht zur Fo- liationsebene und Streckungslinear). Die Polfiguren sind in der flächentreuen Pro- jektion dargestellt (Isolinienabstufung 1, 1.5, 2, . . . mrd für (c(006) bzw. 1, 1.25, 1.5, . . . mrd für a<110>). a) Calcitmar- mor mit polygonaler Korngrenzengeome- trie und einfachem c-Achsen Maximum, b) Calcitmylonit mit deutlich ausgepräg- tem einfachem c-Achsen Maximum, c) Cal- citmylonit mit Schräggefüge und c-Achsen Doppel-Maximum (gestrichelte Isolinien 1, 1.1, 1.2, . . . mrd für c(006) und 1, 1.05, 1.1, . . . mrd für a<110>). meter SV7 am Forschungsreaktor Jü- lich 2 des Forschungszentrums Jülich (FRJ-2) durchgeführt. Neutronen erlau- ben aufgrund ihrer geringen Absorption in Materie, die Messung relativ großer Probenvolumina (hier Zylinder mit 3 oder 4 cm Durchmesser und Höhe), was bei den vorliegenden Proben mit re- lativ großer Korngröße notwendig ist. Ein Überblick der ersten Gefügeanaly- sen von 10 Proben ergibt folgendes Bild: In der Regel weisen die Marmore ein Korngrößenspektrum von ca. 0,05mm bis ca. 0,5mm auf. Die Körner sind von einer interlobaten bis polygonalen Korn- grenzengeometrie gekennzeichnet. Meist 2 TSK 11 Göttingen 2006 Pfaar et al. ist eine schwache Kornstreckung paral- lel zum generellen Streckungslinear zu erkennen (Abb. 1a). Die Mylonitproben aus den Scherzonen, weisen ein deut- lich breiteres Korngrößenspektrum auf und zwar in Form eines feinkörnige- ren (<0,01mm bis 0,1mm) und eines grobkörnigeren (0,1mm bis ca. 1mm) Lagenbaus. Die Körner sind von einer interlobaten bis verzahnten Korngren- zengeometrie gekennzeichnet. Vor allem die grobkörnigeren Kristalle zeigen ei- ne deutliche Kornlängung (Abb. 1b) mit Kornachsenverhältnissen bis 1:4. Die Kornlangachsen liegen parallel zum Mineralstreckungslinear oder zeigen im Schliff parallel Linear, senkrecht Foliati- on Kornschräggefüge auf (Abb. 1c). Es lassen sich in allen, auch in den Marmorproben, kristallographische Vorzugsorientierungen nachweisen Im Allgemeinen zeigen die Texturen ein zum Teil deutlich ausgeprägtes, ein- faches c-Achsen Maximum (Abb. 1b), meist senkrecht zur Foliation orientiert. Es lassen sich aber auch c-Achsen Dop- pelmaxima (Abb. 1c) und c-Achsen- Teilgürtel nachweisen. Diese ersten Ergebnissen zeigen kei- ne eindeutige Korrelation zwischen Korngefügetyp (Marmor oder Mylo- nit), Kornformtyp (polygonal, Korn- langachsenverhältnis, Korngrenzverzah- nungsgrad etc.), dem Texturtyp, den makroskopischen und den regionalen Strukturen. Damit wird offensicht- lich, dass die Gefüge die komple- xen Verformungs- und Temperaturpfa- de sehr differenziert aufgezeichnet ha- ben und dass in weiteren systemati- schen Detailanalysen ein hohes Potenzi- al steckt, zum Entwicklungsmodell der Alpi Apuane beizutragen. 3