Schalenverletzungen an jurassischen Ammoniten
Persistent URL: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?gldocs-11858/11757
DOI: 10.23689/fidgeo-6088
Abstract
Es wurden ca. 1500 jurassische Ammoniten mit regenerierten Verletzungen untersucht. Die Ammoniten stammen aus drei stratigraphischen Abschnitten: dem Unter-Toarcium (Süddeutschland, Südfrankreich, England) dem Ober-Callovium (Normandie / Frankreich) und dem Ober-Oxfordium (Madagaskar). Die ausgewählten Gattungen repräsentieren ein breites morphologisches Spektrum. Die Phänomene, die in Folge von Verletzungen an den Ammonitengehäusen sichtbar werden, wurden seit langer Zeit erkannt, benannt und klassifiziert. Das erfolgreichste Modell einer Klassifikation pathologischer Phänomene an Ammonitengehäusen geht auf HÖLDER (1956) zurück. Problematisch am Hölderschen Klassifikationsmodell ist das Fehlen klarer Rahmenbedingungen für das Aufstellen einer neuen forma aegra. Aus diesem Grund kam es in der Vergangenheit zu vielen, sich überschneidenden, verwirrenden und unnützen forma-Bezeichnungen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird ein stringentes Klassifikationsprinzip vorgeschlagen und eine nachvollziehbare Einordnung in dieses Prinzip gefordert. Unter dieser Prämisse werden ausgewählte forma-Bezeichnungen diskutiert. Es wird vorgeschlagen, auf die forma-Bezeichnungen: forma seccata (HÖLDER 1956), forma refecta (REIN 1994a), forma undaticarinata-undaticoncha (HENGSBACH 1996) und forma mordata (HENGSBACH 1996) zu verzichten. Als neue forma-Bezeichnungen werden eingeführt: forma augata n.f., forma umbilicata n.f. Als potentielle Verursacher regenerierbarer Schalenverletzungen konnten erkannt werden: durophage Fische (vor Allem: Lepidotes, Dapedium, Mesturas), dekapode Krebse (vor Allem: Eryma, Mecochirus) und Coleoideen. Für Verletzungen des Mantelrandepithelium (forma verticata) werden im Wesentlichen eryonide Krebse (z.B. Coleia, Proeryon, Eryon) verantwortlich gemacht. Diese Räuber lassen sich nur in Einzelfällen anhand ihrer Verletzungsspuren identifizieren. Die Ausbildung und Form der Verletzung wird im Wesentlichen von der Gehäusemorphologie bestimmt. Es lassen sich drei morphologische Variablen erkennen, die sensitiv für den Schutz vor Räubern waren: die Gehäuseform, die Wohnkammerlänge und die Skulpturierung der Schale. Dactylioceraten und Perisphinctiden, also Ammoniten mit geringer Windungsexpansionsrate, rundem Mündungsquerschnitt, langer Wohnkammer und kräftiger Skulptur waren am besten gegen räuberische Attacken geschützt. Harpoceraten und Hecticoceraten, also brevi-, mesodome, schlanke Ammoniten mit weniger kräftiger Skulptur waren schlecht gegen räuberische Attacken geschützt. Longidome Ammoniten (Dactylioceraten, Perisphinctiden) waren im Gegensatz zu den brevi-, mesodomen Ammoniten in der Lage, sich weit in die Wohnkammer zurückzuziehen. Sie konnten verletzte Schalenbereiche ausbessern, ohne dabei die Skulpturelemente wesentlich verzerren zu müssen. Longidome Ammoniten konnten aufgrund ihrer Gehäusemorphologie keine guten Schwimmer gewesen sein. Diese Ammoniten tolerierten laterale Abweichungen in der Windungssymmetrie als Verletzungsfolge und Abweichungen im Windungsquerschnitt, also Verletzungsfolgen die die Fortbewegung einschränken mußten, sehr viel besser als Morphotypen mit besseren hydrodynamischen Eigenschaften. Ammoniten konnten Schalenverlust sehr viel besser tolerieren als der rezente Nautilus. Am untersuchten Material fanden sich Ammoniten die einen Schalenverlust von 10-20 % regenerieren konnten. Beim rezenten Nautilus ist ein Schalenverlust von mehr als 4 % letal (WARD 1986). Unter der Annahme, die Ammoniten lebten, ähnlich wie Nautilus, im annähernden Schwebegleichgewicht, verweist dies auf einen sehr viel effizienteren Gleichgewichtsapparat bei den Ammoniten. Anhand des vorliegenden Materials können die als funktionell eingeschätzte Merkmale als Aptationen wahrscheinlich gemacht werden. Die relative Häufigkeit von Mehrfachverletzungen erweist sich dabei als guter Proxy für die Verletzbarkeit der Ammoniten. Die relative Häufigkeit regenerierter Verletzungen korreliert nicht mit der Verletzbarkeit der Ammoniten. Sie scheint in erster Linie die Wahrscheinlichkeit widerzuspiegeln, mit der räuberische Attacken auf den Mundrand stattgefunden haben. Gesteuert wird dieser Faktor ganz offensichtlich von der Lebensweise der Ammoniten, der sich wiederum in der Gehäusemorphologie widerspiegelt.
The investigation is based on 1500 ammonoids with sublethal injuries. The observed ammonoids are Lower Toarcian (from Southern Germany / Southern France / England), Upper Callovian (from Normandy / France) and Upper Oxfordian (Madagascar). The selected ammonoid fauna represents a wide spectre of morphotypes. The healing pattern following the injuries of ammonoids have been subject to observation for a long time. The most successful model of a classification of these phenomena dates back to HÖLDER (1956). But the model of Hölder lacks a clearly defined framework for setting up a new forma aegra. For that reason many overlapping, confuse and useless forma types have been introduced. These investigation suggests a stringent principle of classification and calls for a comprehensive classification according to these principle. Following these premise, the current inventory of forma types is discussed. It is proposed to give up the terms forma seccata (HÖLDER 1956), forma refecta (REIN 1994a), forma undaticarinata-undaticoncha (HENGSBACH 1996) and forma mordata (HENGSBACH 1996). The forma-types forma augata n.f. and forma umbilicata n.f. are newly defined. Durophagous fishes (mainly Lepidotes, Dapedium and Mesturus), crustaceans (mainly Eryma and Mecochirus) and coleoids are found to be responsible for the sublethal shell breakages. Eryonid crustaceans (Coleia, Proeryon, Eryori) are most probably responsible of the healed damages of the mantle epithelia of the peristome (forma verticata, Hölder 1956). In almost all cases it is impossible to detect distinct predators by individual injuries. The character and shape of the shell breakage is defined mainly by the morphology of the shell. Three traits of the ammonoid shell are sensitive against predatory attacks: The morphology of the shell, the extension of the living chamber and the sculpture. Dactylioceratids and Perisphinctids which are longidome roughly ornamented morphotypes with a strong sculpture, a low whorl expansion and a subcircular area of aperture, are best armed against durophagous agressors. Instead Harpoceratids and Hecticoceratids, which are mesodome morphotypes with a smooth sculpture and high whorl expansion, are less armed by their shell. The longidome Dactylioceratids and Perisphinctids where in contrast to the meso- and brevidome morphotypes able to withdraw deeply in their shell. These relatively plump morphotypes tolerated an eccentric growth of the whorl (in rare cases a consequence of injury) much better than the discus-shaped Harpoceratids. Ammonoids in general tolerated a shell lost caused by a predatory attack much better than the recent Nautilus. The observed ammonoids where able to regenerate a maximal shell loss of 10-20 %. In the recent Nautilus a shell loss of more than 4 % is lethal. Under the assumption of a nearly neutral buoyant habit in life that gives evidence of a much higher efficiency of the buoyancy apparatus of the ammonoids. The traits supposed to be functional are shown to be real aptations by the frequency of multiple injuries. Multiple injuries are a good proxy of the vulnerability of the observed ammonoids. Instead the frequency of all healed injuries don’t correlate with the vulnerability but seems to be controlled mainly by the probability of a contact with a predator These factor is otherwise controlled by the habit of the ammonoids.
Subjects
JuraAmmoniten
Schale
Verletzung
Palökologie
Jura
Ammoniten
Schale
Verletzung
Paläobiologie
Paläopathologie