Luftbild- und Satellitenbild-Interpretation des lithologischen und tektonischen Baus im nördlichen Tibesti-Gebirge (Ehi Méché und Tirenno), Tschad

ʿAlwaš, Muḥammad ʿA.

DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-5244
ʿAlwaš, Muḥammad ʿA., 1978: Luftbild- und Satellitenbild-Interpretation des lithologischen und tektonischen Baus im nördlichen Tibesti-Gebirge (Ehi Méché und Tirenno), Tschad. Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe A, Geologie und Paläontologie; Band 5, Reimer, Berlin, 110 S., DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-5244. 

Abstract

Ziel dieser photogeologischen Arbeit ist die Erfassung des lithologischen und tektonischen Inventars in einem Gebiet, von dem noch keine detaillierten Unterlagen zur Verfügung stehen und wo es unmöglich oder sehr schwierig ist, ohne die Luft- und Satellitenbilder nähere Informationen zu bekommen. Die Luftbilder ergaben in diesem Gebiet eine Vielzahl von Informationen, die durch eine ausschließliche Geländekartierung nicht hätten gewonnen werden können. Es mussten zunächst Kartenunterlagen mit Hilfe der Radialschlitztriangualtion angefertigt werden. Schließlich wurden die einzelnen Luftbilder entzerrt und zusammengefügt, so daß ein Luftbildmosaik für jedes Gebiet entstand. Dieses Luftbildmosaik diente als topographische Kartenunterlage. Es gelang, dem künftigen Benutzer eine objektive Grundlage bereitzustellen mit der Möglichkeit, im Gelände mit sicherer topographischer Orientierung zu arbeiten. Darüberhinaus sollte die Interpretation nicht nur qualitativ, sondern auch quantitiativ das Gebiet erforschen. Mit Hilfe der Luftbilder und der Satellitenbilder LANDSAT-1 wurden im Bereich des nördlichen Tibesti-Gebirges die stratigraphisehen und tektonischen Gegebenheiten in zwei photogeologischen Karten (EhiMéchê und Tirenno) im Maßstab 1 : 100 000 dargestellt. Die Auswertung umfasst ein Gebiet von ca. 2.100 km . Die Kenntnis des strukturellen Baus wurde durch den Einsatz der Satellitenbilder von LANDSAT-1 im Bereich des Kartierungsgebietes vervollständigt. Die auf der Karte dargestellten Gesteinseinheiten sind wie folgt gegliedert: Lockergesteine, Metamorphite, Sedimentite Magmatite.


Bei der Luftbildinterpretation der Lockergesteine war es trotz des kleinen Maßstabs möglich, diese nicht nur ausführlich zu beschreiben, sondern auch auf der Karte darzustellen. Es wurde zwischen helleren und dunkleren Talalluvionen unterschieden. Außerdem war es möglich, auch die Flugsanddecken darzustellen. Die Terrassengliederung wurde beschrieben, wie sie im Luftbild erscheint, aber nicht in der Karte ausgegliedert, da das durch den kleinen Kartenmaßstab nicht möglich war. Außerdem wurde der Hangschutt der einzelnen Gesteinstypen von den anstehenden Gesteinsarten abgegrenzt. Die Sedimentgesteine wurden im Luftbild erkannt und aufgrund ihrer charakteristischen Merkmale gegliedert. Ihre Bezeichnungen wurden von ROLAND (1973) übernommen. Vier Gesteinsarten wurden vom Liegenden zum Hängenden unterschieden: Basis-Sandstein, Quatre-Roches-Sandstein, Tabiriou-Sandstein und Eli-Ye-Sandstein.


Die Metamorphite: Im nördlichen Kartierungsgebiet wurden die Metamorphite in drei verschiedene Gesteinstypen gegliedert. Die Gliederung basiert auf unterschiedlichen charakteristischen Erscheinungen wie Kluftnetz, Entwässerungsnetz, Grauton und Oberflächenstruktur (Bildtexturen). In Blatt Ehi Méché wurden die Metamorphite folgendermaßen gegliedert: Zertalte helle Metamorphite, Gebänderte, mittelgraue Metamorphite, Massige, dunkle Metamorphite.Auf Blatt Tirenno treten nur die Zertalten, hellen Metamorphite auf.


Die Magmatite: Im Bereich des Kartierungsgebietes wurden zahlreiche magmatische E x t r u s i v a und Intrusiva auskartiert, die im Tibesti bisher noch nicht so detailliert dargestellt worden waren. Insgesamt lassen sich f ü n f unterschiedliche Vulkanite ausgliedern:

Ältere Basaltdecken , die keinen Zusammenhang zu ihrem Eruptionzentrum mehr zeigen und flach auf den liegenden Gesteinen lagern. Aus ihren morphologischen und photogeologischen Merkmalen (fehlende Klüftung, Flachlagerung, geringe Entwässerungsdichte, kaum geprägte Oberflächenstruktur, fehlende Schichtung bzw. Schieferung, deutliche Grautonstufe), die sich deutlich von anderen unterscheiden, konnte diese Art eindeutig abgegrenzt werden.

Jüngere Basaltdecken konnten durch ihre auffällige Oberflächenstruktur identifiziert werden. Sie bestehen nicht aus einheitlichen massigen Ergußdecken, sondern sind aus mehreren Basaltströmen zusammengesetzt. Sie sind aus einem Schlot geflossen und verteilen sich in Tälern wie handförmige Gebilde. Die generelle Fließrichtung der Basaltströme geht nach Norden; diese Abdachung kann man auch deutlich an der Orientierung des Entwässerungsnetzes erkennen (im Bereich Ehi Zingéro, Ehi Obrou und Ehi Chiliimi).


Extrusivkuppen: Im Kartierungsgebiet konnten 150 helle bis mittelgraue turmartige Kuppen festgestellt wer den, die die Oberfläche des Tibesti-Gebirges schmücken. In ihren Oberflächenstrukturen variieren sie sehr stark. Sie erscheinen oft rund oder oval, meist haben sie unregelmäßige Formen. Der mittlere Durchmesser liegt bei ungefähr 100 m. Diese Extrusivkuppen wurden anhand photogeologischer Merkmale näher untergliedert.


Verschiedenartige Gänge: Basische und saure Gänge wurden im Kartierungsgebiet unterschieden. Die sauren sind fast nur im Bereich der Granite und Metamorphite vorhanden, die basischen Gänge im Bereich der Sandsteine. Die basischen Gänge haben oft wechselhafte Richtungen, sie kreuzen sich und streichen in NE-SW- oder NW-SE-Richtung.


Granitintrusionen: Grobkörnige Granitinstrusionen sind im Tibesti-Gebirge weit verbreitet und unterscheiden sich deutlich von härteren und helleren, weniger von der Erosion beeinflussten feinkörnigen Graniten. Außerdem ist es möglich, saure Intrusionen zu erfassen, die nur teilweise an die Erdoberfläche vorgedrungen sind ("circular features").


Darüber hinaus war es wichtig, die Luftbilder nicht nur qualitativ zu interpretieren, sondern auch quantitativ auszuwerten. Folgende Parameter wurden bestimmt: Die Azimutverteilung der Klüfte im Bereich der einzelnen Gesteinstypen, die Klüftigkeit und Kluftdichte, wie auch die Richtung der Entwässerungssegmente und die Entwässerungsdichte sowie schließlich die Korrelation zwischen der Richtungsverteilung der Klüfte und des Entwässerungsnetzes. Die quantitative Auswertung des Entwässerungsnetzes ergab, daß die Trockenflüsse bis über 80 % an die tektonischen Verzeichnungen gebunden sind.


Bruchtektonik: In den tektonischen Karten, Blatt Ehi Méché und Blatt Tirenno, werden die einzelnen Lineamente und Strömungen dargestellt. Mit den gewonnenen Kluftdiagrammen wurde die Richtungsverteilung der einzelnen Lineamente und Störungen in den einzelnen Gesteinstypen festgestellt. Am eindrucksvollsten sind die großen Lineamente, die im nördlichen Kartierungsgebiet (Blatt Ehi Mèche) die verschiedenen Gesteinstypen in einzelne schmale Blöcke zeriegen. Diese Lineamente streichen in NE - SW - Richtung, wobei hier betont werden muß, daß in dieser Richtung nicht nur die großen Lineamente verlaufen, sondern daß diese Richtung im gesamten Kartierungsgebiet betont ist. Außerdem herrschen in den einzelnen Gesteinseinheiten unterschiedliche Richtungen vor, wenn man die Histogramme der Kluftrichtungen in den Sandsteinen, Metamorphiten und Graniten miteinander vergleicht. Es ergeben sich in den einzelnen Gesteinstypen unterschied­liche, typische Azimutverteilungen der Kluftrichtungen. Schließlich wurden mit Hilfe von LANDSAT-Bi1dern Gebiete ähnlichen geologischen Baus ausgewertet. Dazu wurden 3 unterschiedliche Gebiete in W-Saudi Arabien ausgesucht. Vor allem treten hier verschiedene Metamorphite auf, die sich in ihren charakteristisehen Erscheinungen deutlich voneinander abgrenzen lassen. Es wurden außerdem zahlreiche Granit-Intrusionen festgestellt, die in ihren Bildtexturen und in der tektonischen Beanspruchung jedoch sehr unterschiedlich sind. Diese Granite konnten von anderen Intrusiva einwandfrei abgegrenzt werden. Besonders interessant waren die Abgrenzungen der jüngeren von den älteren Basaltdecken. Die Sedimente wurden in Schuttfächer, Küstenablagerungen und verschiedene Terrassenbildungen untergliedert. Insgesamt bestätigte sich im Tibesti das Bild eines großen wrench-fault-System, wobei die Haupteinengung in N-S-Richtung erfolgte und damit dem von der PIattentektonik geforderten Nordschub der afrikanischen Platte entspricht. Demgegenüber ergab sich für den Weststrand der arabischen Halbinsel eine Einengung in E-W-Richtung.