Solerelikte in Karbonatgesteinen und Erzen der Pb-Zn-Lagerstätten Bleiberg-Kreuth (Österreich) und Raibl (Italien)

Wolter, Rüdiger

DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-7434
Wolter, Rüdiger, 1990: Solerelikte in Karbonatgesteinen und Erzen der Pb-Zn-Lagerstätten Bleiberg-Kreuth (Österreich) und Raibl (Italien). Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe A, Geologie und Paläontologie; Band 131, Selbstverlag Fachbereich Geowissenschaften, FU Berlin, 118 S., DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-7434. 

Abstract

Die Lagerstätten Bleiberg-Kreuth (Österreich) und Raibl (Italien) gehören zum Typ der weltweit verbreiteten Blei -Zink-Vererzungen in Karbonatgesteinen, die in der englischsprachigen Literatur auch als "carbonate hosted lead-zinc deposits" bezeichnet werden. Für die genetische Interpretation dieses Lagerstättentyps waren Angaben über die Herkunft und die Transportbedingungen der Metalle seit je her von besonderer Bedeutung. Die Untersuchung von Flüssigkei tseinsch lüssen, wie sie besonders in den Lagerstätten des Mississippi Valley-Typs durchgeführt wurden, lieferte eine ganze Reihe wichtiger Fakten über die Temperatur- und Druckbedingungen sowie über die Zusammensetzung der metalltransportierenden Lösungen. Für die Lagerstätten Bleiberg-Kreuth und Raibl fehlen entsprechende Untersuchungen fast vollständig, da die Flüssigkeitseinschlüsse hier so klein sind, daß sie mit den gängigen Methoden nicht untersucht werden können. Aus diesem Grund wurde zunächst eine geeignete Untersuchungsmethode entwickelt, die sich an ein von LAMAR & SHRODE (1953) beschriebenes Laugungsverfahren anlehnt. In allen der insgesamt 352 untersuchten Proben - 246 aus Bleiberg-Kreuth und 106 aus Raibl - konnten hiermit laugbare Komponenten nachgewiesen werden. Die Hauptinhaltsstoffe der Laugen sind Ca, Mg, SO4, Na und CI. Je nach Probentyp dominieren die Elemente Ca, SO4 und Cl (calcitische Proben) bzw. Ca, Mg, SO4 und Cl (dolomitische und vererzte Proben). Die zusätzlich bestimmten Komponenten K, Sr und F sind fast immer von untergeordneter Bedeutung. Grundsätzlich enthalten vererzte Proben einen deutlich höheren Antei l an laugbaren Komponenten als unvererzte Proben. Von besonderer Bedeutung für einen möglichen Einsatz in der Prospektion ist die Frage, ob eine räumliche Beziehung zwischen der Verteilung von Solerelikten und Erz besteht und ob in der Umgebung von Vererzungen anomale Salzkonzentrationen auftreten. Bisher ließen sich in der Umgebung der Vererzungen keine eindeutig abgrenzbaren "Salzhalos" nachweisen. Sofern die absoluten Salzgehalte in einem Erzkörper deutlich höher als im Nebengestein waren, gingen sie ohne erkennbaren Übergangsbereich innerhalb weniger Dezimeter auf die im Nebengestein üblichen Gehalte zurück.

Die gelaugten Komponenten können grundsätzlich aus folgenden Quellen abgeleitet werden:

(1) Auflösung der Gesteinskomponenten (Calcit, Dolomit, Erz) (2) Auflösung von Salzen (NaCl, CaSO usw.) (3) Laugung von Flüssigkeitseinschlüssen (4) Desorption von an Tonmineralen gebundenen Ionen (5) Reaktionen zwischen sulfidischen Erzmineralen und Karbonaten während der Laugung.

Der Versuch einer systematischen Zuordnung ergab:

  • Calcium stammt vorwiegend aus der Auflösung von Calcit und Dolomit. Hohe Ca-Gehalte in erzfreien Proben deuten auf die Lösung von Gips bzw. Anhydrit hin.
  • Magnesium stammt aus der Auflösung von Dolomit. Wahrscheinlich enthalten aber auch die Solerelikte größere Anteile an wasserlöslichen Magnesiumverbindungen.
  • Sulfat stammt aus der Auflösung von Gips bzw. Anhydrit oder wird bei der Sulfid-Karbonat-Reaktion freigesetzt.
  • Natrium und Chlorid lassen sich ausschließlich von Solerelikten ableiten.
  • Fluorid stammt in Bleiberg-Kreuth aus der Auflösung von Flußspat. Für Raibl ergab sich keine sinnvolle Zuordnung.
  • Strontium wird vermutlich bei der Lösung von Gips/Anhydri t oder eigenständigen Sr-Mineralen (Cölestin) freigesetzt. Auch Solerelikte kommen als Sr-Quelle in Betracht.
  • Kalium stammt überwiegend aus der Desorption des an Tonmineraloberflächen adsorbierten Kaliums.

Führt man zum Vergleich verschiedener Probentypen eine Normierung der Salzgehalte auf bestimmte sog. “fiktive Salzkomponenten" durch, so zeigt sich, daß in Raibl der Gehalt an Chloridsalzen im al Igemeinen deutlich höher ist als in Bleiberg-Kreuth. Demgegenüber ist z.B. der Anteil an Sulfatverbindungen in den Kalkproben aus Bleiberg-Kreuth deutlich größer als in Raibl. Nutzt man zusätzlich das Na/Cl-Verhältnis der Laugen, um die Konzentration der Formationswässer zu rekonstruieren, so zeigt sich, daß die meisten Formationswässer NaCl-gesättigt sind. Die am Metalltransport beteiligten Lösungen waren möglicherweise noch höher konzentriert und haben u.U. sogar die MgSO4 -Sättigung überschritten. Um zu kontrollieren, inwieweit sich die hier ermittelten Na/Cl-Verhältnisse und Konzentrationsangaben auch durch andere Untersuchungsergebnisse belegen lassen, wurden sie mit Na/Cl -Verhältnissen von Flüssigkeitseinschlüssen und Tiefenwässern aus Mississippi Valley-Typ Lagerstätten verglichen. Die Na/Cl-Verhältnisse beider Lagerstättentypen zeigen eine ausgesprochen gute Übereinstimmung. Die Tatsache, daß hochkonzentrierte Lösungsreste überal l im Gestein angetroffen werden, unterstreicht nochmals die Bedeutung, die die Formationswässer für die Umlagerung (Mobilisation) und sekundäre Anreicherung von Metallen haben. Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, kann eine systematische Bestimmung von Solerelikten eine wertvolle Ergänzung der bei der Prospektion üblichen geochemischen Untersuchungen sein.


The deposits of Bleiberg-Kreuth (Austria) and Raibl (Italy) belong to the type of lead-zinc mineralizations found world-wide in carbonate rocks, in the English literature often summarized under the term "Carbonate hosted lead-zinc deposits". For a genetic interpretation information about the source of the metals and about the conditions of transport are of special importance. Examinations of fluid inclusions, especially those carried out in Mississippi -Vai ley-type deposits provided much information on temperature, pressure und composition of the ore-bearing solutions. Similar investigations at the Bleiberg-Kreuth und Raibl deposits are lacking almost completely because the fluid inclusions are so minute here that they cannot be investigated with the common methods. A suitable new investigation method was therefore developed, which is based on a leaching procedure described by LAMARE & SHRODE (1953). In all of the 352 samples - 246 obtained at Bleiberg-Kreuth, 106 at Raibl - leachable components were detected. The main constituents of the leachates are Ca, Mg, SO4, Na and Cl. The predominant elements are Ca, SO4 and Cl (calcitic samples) as well as Ca, Mg, SO4 and Cl (dolomitic and mineralized samples). The elements K, Sr and F are nearly always of minor importance. In general, mineralized samples exhibit a higher content of leachable components than unmineralized samples. Of special importance for the use of this method in prospecting is the question of whether there is a spatial relation between the distribution of saline relics and mineralization and whether mineralizations are surrounded by zones of anomalous leachable salt concentrations. Up to now, no clearly delimitable halos of leachable salts have been detected in the vicinity of mineralizations. Where the absolute amount of salts in an ore-body was significantly higher than in the host rock, it decreased within a few decimeters to the background values (of the host rocks). In general, leached components can be attributed to the following sources:

  1. dissolution of host rock minerals (calcite, dolomite, ore minerals)
  2. dissolution of salts (NaCl, CaSO4 an so on)
  3. fluid inclusions
  4. ions adsorbed by clay minerals
  5. chemical reactions between sulfides and host fock minerals during the leaching process.

In attempting to systematically assign leached components to the above-mentioned sources, the following was ascertained:

  • Calcium predominantly stems from the dissolution of calcite and dolomite. Elevated Ca-contents in unmineralized samples indicate the solution of gypsum or anhydrite;

  • magnesium stems from the dissolution of dolomite. It is possible that saline relics retain greater amounts of water soluble magnesium compounds;

  • sulfate has to be attributed to the dissolution of gypsum or anhydrite or is released by the reaction between sulfides and carbonates;

  • sodium and chlorine are solely derived from saline relics solely;

  • fluorine stems from the dissolution of fluorite. For the Raibl samples it was not possible to attribute fluorine to the sources mentioned;

  • strontium is probably released during the dissolution of gypsum, anhydrite or Sr-minerals. Saline relics are another possible source;

  • potassium predominantly stems from the desorption of potassium adsorbed by clay minerals.

When salt contents are standardized into so-called "fictitious salt components" to compare different types of samples, it becomes obvious that in Raibl the content of chlorine salts is significantly higher than in Bleiberg-Kreuth . On the other hand, the content of sulfate compounds in limestone samples from Bleiberg-Kreuth is significantly higher than in Raibl ones. The additional use of the Na/Cl ratio of the leachates for reconstructing the original concentration of formation waters showed that most of the formation waters were saturated with respect to NaCl. The solutions responsible for the transport of ore matter (metals) were possibly present at even higher concentrations and may have exceeded the MgSO4 saturation level. To check whether the NaCl ratios and concentrations ascertained here agree with the results of other investigatons, they were compared with the Na/Cl ratios of fluid inclusions and oilfield brines of Mississippi -Vailey type deposits. Na/Cl ratios of the two types of deposits show very good agreement.