Druck- und Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeit-Dichte-Relation für extrem große Krustenmächtigkeiten
Heinsohn, Wolf-Dieter
Selbstverlag Fachbereich Geowissenschaften, FU Berlin
Monograph, digitized
Deutsch
Heinsohn, Wolf-Dieter, 1993: Druck- und Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeit-Dichte-Relation für extrem große Krustenmächtigkeiten. Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe B, Geophysik; Band 20, 101 S., DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-6061.
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Eine effektive Methode für die Interpretation verschiedener geophysikalischer Daten ist die kombinierte Auswertung der unterschiedlichen Messungen. Eine wichtige Grundlage für die kombinierte Auswertung seismischer und gravimetrischer Daten sind empirische Korrelationsbeziehungen zwischen der seismischen Geschwindigkeit und der Dichte.
In Regionen mit extrem großen Krustenmächtigkeiten und hohen Temperaturen läßt sich mit bekannten Geschwindigkeit-Dichte-Relationen kein übereinstimmendes Modell aus den seismischen und gravimetrischen Daten ableiten.
Auf der Basis von in der Literatur veröffentlichten Labordaten wurde das Verhalten der Dichte und der seismischen Geschwindigkeit von kristallinen Gesteinen unter dem Einfluß von Druck und Temperatur systematisch untersucht. Die Untersuchungen beinhalten auch den Temperaturbereich der partiellen Aufschmelzung der verschiedenen Gesteine.
Druck und Temperatur haben einen entgegengesetzten Effekt auf die seismische Geschwindigkeit. Druckerhöhung bewirkt im allgemeinen eine Zunahme der Geschwindigkeit, Temperaturerhöhung führt zu einer Erniedrigung. Bei Erreichen der Schmelztemperatur wird eine drastische Geschwindigkeitsabnahme beobachtet, die bis über 50% betragen kann.
Der Einfluß von Druck und Temperatur auf das Verhalten der Dichte ist, im Vergleich zur Geschwindigkeit, sehr viel geringer. Bei Temperaturerhöhung bis zur partiellen Aufschmelzung werden Dichteänderungen von unter 5% beobachtet.
Um eine ausreichende Anzahl von Daten für die Entwicklung einer temperaturabhängigen Geschwindigkeit-Dichte-Relation zur Verfügung zu haben, wird aus den vorhandenen Labordaten das Verhalten der Geschwindigkeit unter extremen Temperaturbedingungen mit Hilfe von Modellrechnungen extrapoliert. Auf der Basis der vorhandenen chemischen Analyse wird für verschiedene Gesteine die initiale Schmelztemperatur und der Anteil der Schmelze bestimmt. In einem weiteren Schritt wird mit Hilfe eines einfachen Modellansatzes die Änderung der Geschwindigkeit bei partieller Aufschmelzung berechnet.
Aus den so gewonnenen Daten wird eine temperaturabhängige Geschwindigkeit-Dichte-Relation und eine Geschwindigkeit-Dichte-Relation in Abhängigkeit des Schmelzanteils abgeleitet.
Für die kombinierte Auswertung von seismischen und gravimetrischen Profildaten wurde ein Programmsystem zur Umrechnung von Raytracing-Geschwindigkeitsmodellen in Dichtemodelle geschrieben. Für die Umrechnung können verschiedene Geschwindigkeit-Dichte-Relationen benutzt werden. Das Dichtemodell kann über eingebundene Optimierungsalgorithmen an die gemessene Schwerekurve angepaßt werden.
Die Anwendung der temperaturabhängigen Korrelationsbeziehungen zwischen Dichte und Geschwindigkeit wird am Beispiel von gravimetrischen und seismischen Profildaten aus dem Bereich der zentralen Anden zwischen 21° S und 24° S vorgestellt.
Die Profildaten kreuzen einen Krustenbereich des Andenorogens, der von einem extremen Schwereminimum und einer großen Krustenmächtigkeit geprägt ist. Geothermische Modellrechnungen ergeben extreme Temperaturverhältnisse im Tiefenbereich der mittleren und unteren Kruste. Das refraktionsseismische Modell der andinen Kruste zeigt ausgeprägte Zonen erniedrigter Geschwindigkeit (LVZ) in der mittleren und unteren Kruste. Die niedrigen Geschwindigkeiten, verbunden mit der extremen Krustenmächtigkeit ergeben bei der Umrechnung der refraktionsseismischen Modelle in Dichtemodelle mit normalen Geschwindigkeit-Dichte-Relationen eine deutliche Überkompensation des Schwereminimums.
Mit der temperaturabhängigen Geschwindigkeit-Dichte-Relation läßt sich eine gute Anpassung an die gemessene Schwerekurve erreichen. Mit dem Ergebnis der Anpassung kann der Grad der partiellen Aufschmelzung der andinen Kruste bestimmt werden. Der Anteil der partiellen Schmelze in den LVZ der Kruste im Bereich unter der Westkordillere kann, abgeleitet aus den Modellrechnungen, bis zu 20% betragen.