Die Verteilung der Absorption seismischer Wellen in den westlichen Zentralen Anden
1999Selbstverlag Fachbereich Geowissenschaften, FU Berlin
Monograph, digitized
Deutsch
Haberland, Christian, 1999: Die Verteilung der Absorption seismischer Wellen in den westlichen Zentralen Anden. Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe B, Geophysik; Band 35, 144 S., DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-6076.
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Subduktionszonen gehören zu den geologisch aktivsten Regionen der Erde. Viele der Prozesse in diesen Zonen laufen unter der Beteiligung von Fluiden ab und führen zu Aufschmelzung und Vulkanismus.
Der Parameter der Absorption seismischer Wellen in der Erde (Kruste, Mantel) wird entscheidend von Größen wie der Temperatur, der Porosität, dem Umgebungsdruck oder der Sättigung mit wässrigen Fluiden oder (partiellen) Schmelzen gesteuert. Er eignet sich demnach hervorragend zur Untersuchung des Zustandes von Kruste und Erdmantel und den Prozessen in einer Subduktionszone.
Für die Absorptionsuntersuchungen in der Subduktionszone in den westlichen Zentralen Anden standen die Daten der beiden seismologischen Experimente PISCO ’94 und ANCORP ’96 zur Verfügung. Diese Projekte wurden vom Sonderforschungsbereich 267 ’’Deformationsprozesse in den Anden”, der Freien Universität Berlin und dem GeoForschungsZentrum Potsdam finanziert und gemeinsam mit südamerikanischen Partnern durchgeführt. So wurden in den Jahren 1994 und 1996/97 für jeweils rund 3 Monate seismologische Stationsnetze in Nord-Chile und Süd-Bolivien betrieben, die weite Bereiche des forearc und des magmatischen Bogens sowie Teile des Altiplano zwischen 21° und 24° S umfaßten. Sie registrierten eine große Anzahl überwiegend lokaler Ereignisse aus der Wadati-Benioff-Zone. Für die Absorptionsuntersuchungen konnten insgesamt 904 Ereignisse mit 11.738 P-Phasen des PISCO ’94-Experiments bzw. 686 Ereignisse mit 10.544 P-Phasen des ANCORP ’96- Experiments verwendet werden.
Die Berechnung der Absorption der einzelnen Strahlen erfolgte (automatisch) aus den Amplitudenspektren der P-Wellen Einsätze. Es wurde ein Frequenzband von 3 bis maximal 30 Hz analysiert, in dem ein frequenzunabhängiger Qualitätsfaktor Q angenommen wurde. Dabei kamen zwei unterschiedliche Methoden, Spektralverhältnisse und Spektralinversion, zur Anwendung, um der prinzipiellen Schwierigkeit der Trennung von Quell- und Weg-Effekten zu begegnen und Annahmen beispielsweise über die Quellfunktion zu überprüfen. Eine Spektralinversion nach individuellen t*-Operatoren und Plateauwerten und einer für ein Beben gemeinsamen Eckfrequenz konnte erfolgreich angewendet werden.
Die so bestimmten Absorptionswerte (t*-Operatoren) wurden für eine damped least squares-Inversion zur Berechnung der dreidimensionalen Absorptionsstruktur im Untergrund verwendet. Das raytracing wurde dabei in den dreidimensionalen Geschwindigkeitsmodellen durchgeführt, um den genauen Strahlverlauf zu berücksichtigen.
Die errechneten Modelle erlauben einen detaillierten Einblick in die Subduktionszone der Zentralen Anden. Der Bereich unterhalb des arcs zwischen 21,5° und 24° S ist geprägt von einer prominenten Anomalie geringer Q-Werte, die von der Kruste bis in den oberen Mantel reicht. Große Stationskorrekturen der Stationen im arc und dem Altiplano deuten auf eine Erstreckung bis an die Oberfläche hin. Die krustale Absorption verläuft deckungsgleich mit der Verbreitung des rezenten Vulkanismus. Südlich von 22° S verläuft die Absorptionsanomalie bis in eine Tiefe von 250 km genau oberhalb der abtauchenden Nazca-Platte. Nördlich von 22° S scheint die starke Absorption auf den Bereich oberhalb von ca. 100 km begrenzt. In diesem nördlichen Bereich, in dem generell eine geringere Absorption verzeichnet wird, korrespondiert diese Zone mit dem dort angesiedelten Beben-cluster in ca. 100 km Tiefe; nördlich von 21° S verliert sie sich. Der forearc zeigt sich als relativ homogene, gering absorbierende Struktur mit Q-Werten um 1000; die abtauchende Platte weist ebenfalls hohe Q-Werte auf.
Bedingt durch die Lage der Absorptionsanomalien relativ zu den seismologischen Netzen und die damit verbundene geringere Durchstrahlung war eine detaillierte Untersuchung der Auflösung der Modelle notwendig. Dazu wurden die aus der Modellresolutionsmatrix abgeleiteten Größen wie die spread-function berücksichtigt, aber auch synthetische Tests an Modellen mit oszillierenden Strukturen (Schachbrettmustern) und ’’realistischen” Untergrundmodellen vorgenommen. Sie zeigen, daß große Bereiche des forearcs und arcs in den Modellen sehr gut aufgelöst werden.
Die gefundenen Anomalien lassen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutieren. Die ausgeprägte krustale Absorption unter großen Teilen der Westkordillere läßt sich mit der schon früher abgeleiteten Präsenz partieller Schmelzen erklären. Sie korreliert sehr gut mit der Verteilung des rezenten Vulkanismus, erniedrigten Durchschnittsgeschwindigkeiten, einem erhöhten vp/vs-Verhältnis, z.T. extrem erhöhten elektrischen Leitfähigkeiten und Bereichen, für die anomale Geschwindigkeits-Dichte Relationen angenommen werden müssen. Variationen innerhalb dieser krustalen Anomalien weisen auf eine unterschiedlich ausgeprägte Durchdringung mit partiellen Schmelzen hin.
Die Anomalien im oberen Mantel deuten auf ein unterschiedliches Vordringen der heißen Asthenosphäre unter den magmatischen Bogen hin. Darüber hinaus können sie als Bereiche partieller Schmelzen und Fluide interpretiert werden, die Dehydratisierungs- und Hydratisierungsprozesse in dieser Subduktionszone widerspiegeln. Subduction zones are among the geologically most active regions of the world. Many processes in these zones take place under the influence of fluids and lead to the generation of melts and volcanism.
Attenuation of seismic waves in crust and mantle depends strongly on parameters like temperature, porosity, confining pressure or saturation with hydrous fluids or partial melts. Therefore, this parameter is perfectly suited to examine the state of the crust and mantle in subduction zones.
For the attenuation studies in the subduction zone of the western Central Andes datasets of two seismological experiments, PISCO ’94 and ANCORP ’96, were used. These projects were financed by the Collaborative Research Center 267 ’’Deformation Processes in the Andes”, the GeoForschungsZentrum Potsdam and the Department of Geophysics of the Free University of Berlin and were executed in cooperation with partners from South America. In 1994 and 1996/97 two temporary seismological networks were installed in northern Chile and southern Bolivia covering large areas of the forearc, the magmatic arc and the Altiplano between 21° and 24° S. They monitored a large number of earthquakes predominantly situated in the Wadati-Benioff zone. From the PISCO ’94 and ANCORP ’96 datasets 904 events with 11.738 attenuation values respectively 686 events with 10.544 values could be used for the tomography.
Whole-path attenuation was (automatically) determined from the amplitude spectra of the F- waves. In a frequency-band between 3 and 30 Hz a frequency-independent Quality-factor Qp was assumed. In order to separate source- and path-effects two different methods were applied, spectral inversion, and spectral ratios relative to a constant reference station. The spectral inversion for individual C-operators and plateau-values and a single source corner frequency for all observations of an event was applied successfully.
In a damped least squares approach the t*-operators were inverted for the three-dimensional attenuation structure. To account for the spatial distribution of both velocity and attenuation raytracing was performed in the three-dimensional velocity structure previously derived by simultaneous inversions of travel-time data.
The obtained models allow a detailed insight into the subduction zone of the Central Andes. Crust and mantle of the forearc and subducting slab are generally characterized by low attenuation (Qp > 1000). Beneath the Western Cordillera, the recent magmatic arc, a prominent attenuation anomaly is found (Qp < 100). This anomaly reaches from the uppermost crust down to the upper mantle at a depth of 250 km. North-South variations can be seen: The western flank of the crustal attenuation anomaly is congruent to the curved course of the volcanic front. North of 21° S the attenuation is less developed and dies out north of 20° S. A deeper zone of high attenuation is resolved between 22° and 24° S directly above the subducting slab. In the northern part of the study area the low-Qp-zone penetrates westwards in the forearc-mantle.
Due to the irregular ray-coverage of the model a detailed analysis of the resolution was necessary. Both, formal analysis of the model resolution matrix (e.g. via spread-function) and tests with synthetic models including checkerboard and ’’realistic” attenuation models were executed. They show that large areas of the models beneath forearc and arc are well resolved.
The anomalies found in the tomographic models can be interpreted in several ways. The prominent crustal attenuation beneath the Western Cordillera can be explained by partial melts previously proposed by others. The anomaly correlates well with the distribution of recent volcanism, reduced seismic velocities, reduced electrical resistivity and regions for which anomalous velocity-density relations must be assumed. Variations within the anomaly point towards the irregular distribution of partial melting beneath the volcanic arc.
The anomalies within the upper mantle may map the distribution of hot asthenosphere material. Furthermore, they may be interpreted in terms of subduction-related dehydration- and hydration processes.