Die elektrische Leitfähigkeit in der Toskana und ein daraus abgeleitetes geothermisches Modell - insbesondere für die Anomalie von Travale
Schwarz, Gerhard
Reimer
Monograph, digitized
Deutsch
Schwarz, Gerhard, 1984: Die elektrische Leitfähigkeit in der Toskana und ein daraus abgeleitetes geothermisches Modell - insbesondere für die Anomalie von Travale. Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe B, Geophysik; Heft 8, 103 S., DOI: https://doi.org/10.23689/fidgeo-6049.
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Die Toskana ist die stärkste geothermische Anomalie auf dem europäischen Kontinent. In dieser Anomalie finden sich zahlreiche lokale geothermische Felder mit hoher Enthalpie, wie z.B. das Feld von Travale. In diesem geothermischen Feld, das im Era-Graben liegt, wurden in den Jahren 1980/81 elektromagnetische Messungen durchgeführt. Es war das Ziel der Untersuchungen, die Quelle und die Ursache dieser teilweise bekannten Anomalie zu finden. Hierzu sollte die Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit in der Erdkruste bis in Tiefen der Kruste-Mantel-Grenze mit den Methoden der Magnetotellurik und Erdmagnetischen Tiefensondierung untersucht werden. Parallel dazu wurde die geothermische Anomalie von Travale mit einer Vielzahl weiterer elektromagnetischer, seismischer und geochemischer Methoden untersucht. Das Ziel, die geothermische Anomalie in der Erdkruste zu lokalisieren, war nicht einfach zu erreichen. Deshalb war es notwendig, ein Modell der Anomalie zu erarbeiten, aus dem die Lokalität folgen sollte.
Vor angegangene elektromagnetische Untersuchungen (HAAK & SCHWARZ 1981) hatten gezeigt, daß nahezu das gesamte Gebiet der Toskana als eine Anomalie der elektrischen Leitfähigkeit anzusehen ist: Gutleitende Deckschichten, mit bis zu 10 km Mächtigkeit, werden von einem hochohmigen Basement unterlagert. An einigen Meßorten deutet sich der Übergangsbereich Kruste / Mantel - in einer Tiefe zwischen 20 und 30 km - durch eine Zone hoher Leitfähigkeit an. Dieser Bereich zeichnet sich durch Lamellen hoher und extrem niedriger seismischer Wellengeschwindigkeiten aus. Petrologisch kann dieses durch eine Wechsellagerung von basischem und saurem Material gedeutet werden.
Die zeitlichen Variationen des elektrischen und magnetischen Feldes wurden im geothermischen Feld von Travale in einem breiten Periodenbereich von 6 - 10.000 s registriert. Die Meßorte liegen überwiegend auf zwei Profilen, eines verläuft parallel zum Era-Graben aus der Anomalie heraus nach NW, das zweite schneidet die Anomalie senkrecht zum Graben. Der Meßpunktabstand war mit einigen hundert Metern bis zu mehreren Kilometern sehr dicht, um möglichst alle lateralen Variationen der scheinbaren spezifischen Widerstände beobachten zu können.
Es zeigte sich, daß die lateralen Variationen der spezifischen Widerstände im Gebiet von Travale sehr groß waren. Bis zu Perioden von 50-100 s ist der Era-Graben die dominierende zweidimensionale Leitfähigkeitsstruktur. Die gemessenen scheinbaren spezifischen Widerstände sind bei längeren Perioden durch dreidimensionale Leitfähigkeitsstrukturen verzerrt. Die scheinbaren elektrischen Widerstände sind innerhalb der geothermischen Anomalie mit Werten bis zu 50 Qm äußerst klein, während sie nördlich des geothermischen Feldes auf 100-300 Qm ansteigen, um dann etwa 7 km NW der Anomalie wieder deutlich abzufallen. Selbst in der tieferen Kruste werden keine höheren Widerstände angetroffen. Die integrierte Leitfähigkeit weist das geothermische Feld ebenso als eine Anomalie der elektrischen Leitfähigkeit aus, während nördlich davon die "hochohmige Barriere" bestätigt wurde.
Aus den Ergebnissen der Seismik und Magnetotellurik wurde ein Modell für die geothermische Anomalie von Travale und die Toskana abgeleitet, das sich in drei Stockwerke gliedert:
- Das unterste Stockwerk, die Übergangszone zwischen Oberem Mantel und Unterkruste in 20-30 km Tiefe ist die Quelle auf steigender heißer Gase und Flüssigkeiten. Die Temperatur beträgt etwa 700° C.
- Das mittlere Stockwerk ist von tief reichenden, vertikalen Störungen durchsetzt, die einen konvektiven Wärmetransport durch die hydrothermalen Phasen in das oberste Stockwerk erlauben. Im Gebiet von Travale hat sich durch längs- und zum Era-Graben querstreichende Störungen eine ausgeprägte Schwächezone in der Kruste gebildet, die einen besonders intensiven Wärmetransport zuläßt. Der Temperaturgradient wird mit 15° C/km angenommen.
- Das oberste Stockwerk besteht aus Sedimenten und kristallinen Formationen, die im wesentlichen von horizontalen Abscherungs- und Störungsflächen durchzogen sind, in denen hydrothermale Phasen zirkulieren. Innerhalb der Basements hat sich so ein zweites Reservoir ausgebildet, welches das bekannte geothermische Reservoir in den Karbonaten in Tiefen von 1-2 km durch ein ausgeprägtes Bruchsystem speist. Die Temperatur ist in 4 km Tiefe mit 400° C sehr hoch. Die augenblicklich geförderten heißen Gase und Wässer sind meteorologischen Ursprungs und werden an der Oberkante des toskanischen Basements aufgeheizt.
Aus tektonischer Sicht besteht das oberste Stockwerk aus allochthonen Decken, die während der Orogenese über die Toskana hinweggeschoben wurden. Dieser tektonischen Kompressionsphase folgte eine Phase starker lateraler Dehnungen, die bis heute andauern. Das System von Grabenbrüchen und tiefgreifenden Verwerfungen ist Ausdruck dieser Dehnungstektonik. Die damit verbundenen Störungszonen tragen zu einer Entwässerung und Entgasung der tiefen Erdkruste bei und lassen die hydrothermalen Phasen in das oberste Stockwerk aufs teigen. In ausgeprägte Schwächezonen, die die gesamte Kruste durchziehen und die durch undurchlässige Schichten nach oben abgeschlossen werden, kann sich so ein geothermisches Reservoir ausbilden. Tuscany is the strongest geothermal anomaly in continental Europe. Numerous local high enthalpy geothermal fields are to be found within this anomaly, e.g. the Travale field. Electromagnetic soundings have been carried out in this geothermal field, which lies in the Era-Graben, in the years 1980 and 1981. The aim of this study was to find the origin as well as the cause of this partly known anomaly, using the methods of magnetotelluric- and geomagnetic depth soundings to study the distribution of electrical conductivity in the earth's crust downwards to the crust/mantle boundary, at least. Parallel to this study the geothermel anomaly of Travale has been studied with the help of various other methods, including electromagnetic, seismic and geochemical surveys. To localize the geothermal anomaly in the earth's crust was not an easy task. Therefore it seemed to be necessary to develop a model of the anomaly, first, and then to localize it.
Earlier electromagnetic investigations (HAAK & SCHWARZ 1981) have shown, that nearly the whole area of Tuscany corresponds to an electrical conductivity anomaly: A well conducting cover, reaching down to 10 km depth is underlain by a high resistive basement. At some places within the geothermal anomaly a zone of high conductivity has been found at the depth of the crust/mantle-boundary (between 20 and 30 km) . Seismic refraction measurements are indicating a wide transition zone between the crust und upper mantle, displayed by alternating high- und extreme low-velocity layers.
The time-varying electric- and magnetic fields have been recorded in the Travale area in a broad period range from 6-10.000 s, mainly on two profiles, the one parallel, the other perpendicular to the Era-Graben. The stations have been very close to each other, spacings varied between some hundreds of meters and a few kilometers, to study lateral variations of apparent resistivities within the Graben.
In deed, lateral variations of apparent resistivities have been very large in the Travale area. Up to 50-100 s the Era-Graben is the dominating 2D-structure, but for longer periods of investigation the three-dimensionality of the electrical conductivity structure has to be considered. The apparent resistivities inside the geothermal anomaly are extremely low, reaching not more than 50 Gm, even in the lower crust, whereas going up to 100-300 firn north of the geothermal field. Further to NW apparent resistivities are coming down again to 5-5o Gm. Total conductance as well indicates the geothermal field as a local conductivity anomaly, whereas more to the north the poorly conducting "barrier" has been confirmed.
Based on the results of the magnetotelluic soundings and those of the seismic survey a geothermal model for the anomaly of Travale as well as for Tuscany has been developed. The crust is built up by 3 stories:
- The lowermost story of the transition from the mantle to the crust at 20-30 km depth has to be regarded as the origin of hot gases and fluids. Temperature amounts to 700° C.
- The central story is more or less fractured vertically so that pathways allow convective transport of heat by means of hydrothermal fluids to the upper story. In the Travale area a weak crustal zone of faults crossing over has developed, allowing the transport of heat to be very intensive. The temperature gradient is assumed to reach not more than 15° C/km.
- The uppermost story consists of sediments and more or less horizontally fractured crystalline formations, filled with hot, circulating fluids. Within the basement a second reservoir has evolved, which feeds the known geothermal reservoir in the carbonate series at 1-2 km depth through fractures and cracks in the top of the basement. The temperature of about 400° C in 4 km depth is extremely high. The actually exploited hot gases and fluids are of meterological origin and heated up at the top of the basement.
From the tectonic point of view, the uppermost story consists of allochthonous nappes shifted across Tuscany during orogenesis. This compressive tectonic deformation was followed by strong dilatational forces, which are still active in the whole crust, expressed by the features of graben structures and deep reaching faults. This process gives volatiles and water generated by dehydration in the deep crust the chance to rise to the uppermost story. A basement fractured at the top and an impermeable cover in the uppermost layer will then favour the development of a geothermal reservoir.
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Subjects:
GeophysikGeothermie
Magnetotellurik
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